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Rezension zu
Ich fühle was, was du nicht fühlst

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Ein sehr bewegendes Buch - eine Familiengeschichte einer besonderen Generation (70er Jahre)

Von: Chrissi66
15.10.2016

Von Amelie Fried habe ich schon mehrere Frauenromane gelesen, doch dieses Buch ist so ganz anders, tiefsinniger, mit viel Gefühl und unheimlich bewegend… Beschreibung des Buches: „Ich fühle was, was du nicht fühlst“ von Amelie Fried ist 2016 im Heyne Verlag als Taschenbuch mit 399 Seiten erschienen. Auf dem Titelbild sind bunte Aquarellflecken zusehen. Ich finde, dieses Bild passt sehr gut zum Inhalt, es drückt die intensiven und vielfältigen Gefühle der Hauptprotagonistin India aus. Kurze Zusammenfassung: Die Geschichte spielt in den 70er Jahren im Schwäbischen. Die 13jährige India wächst mit ihren Hippie-Eltern und ihrem 17jährigen Bruder Che in einer Kleinstadt auf. Ihre mathematischen Fähigkeiten und ihr Verständnis von Musik machen sie zu einer Außenseiterin. Sie fühlt ihr Anderssein fast in jeder Situation. Dabei hilft ihr das Elternhaus leider wenig, denn ihre Eltern sind sehr mit sich selbst beschäftigt. Der Vater, ein nicht gerade erfolgreicher Schriftsteller und die Mutter, die sich mit seltsamen Veranstaltungen in den eigenen vier Wänden zum Gespött der Nachbarn macht. Der Bruder lehnt sich gegen das Elternhaus auf, India findet Erfüllung beim Klavierspielenlernen im Nachbarhaus bei Lehrer Christian. Als Christian ihr zu nahe kommt, ändert sich alles. Soll sie ihn verraten oder schweigen? Mein Leseeindruck: Dieses Buch hat mich sehr berührt. Zuerst dachte ich, ich hielte ein Jugendbuch in der Hand. Jetzt, nachdem ich es komplett gelesen habe, würde ich es eher unter der Kategorie Familiengeschichte einordnen, mit Tendenz zu einem Drama: Die Geschichte der 13jährigen India ist aus der Sicht des jungen Mädchens erzählt. Ihre ganzen Gedankengänge, ihre tiefen Empfindungen beim Hören von Musik und ihre permanenten mathematischen Berechnungen, die auch mit bestimmten Farbvorstellungen durchsetzt sind, bei allem was sie so erlebt, lassen vermuten, dass es sich um einen ganz besonders sensiblen Menschen mit einer Hochbegabung für Mathematik und Musik handelt. Amelie Fried hat hier die Fähigkeit des „Mitempfindens“ oder „zugleich Wahrnehmens“, und zwar der Synästhesie, beschrieben. Es handelt sich hierbei um die Kopplung zweier oder mehrerer physisch getrennter Bereiche der Wahrnehmung. India erlebt alles mit viel deutlicher Intensität als das Mädchen in ihrem Alter tun. Sie beobachtet viel, ordnet ein und zieht ihre eigenen Schlüsse. Ihr ganzes Verhalten machen sie zu einer Außenseiterin, die zwar anderen gerne auch gefallen würde, aber in ihren Zwängen verwurzelt ist. Dass ihre Eltern so ein unstrukturiertes und eigenes Leben neben ihren Kindern leben, kaum Grenzen setzen, die Gefühle ihrer Kinder nicht wahrnehmen, das entfremdet India immer mehr vom Elternhaus. Als der Bruder sich plötzlich auflehnt, flüchtet auch India sich in die Musik. Mich hat das Buch sehr beeindruckt und stark mitgenommen. An manchen Stellen habe ich regelrecht Gänsehaut bekommen und gedacht, „das darf doch nicht wahr sein“. Mich hat besonders betroffen gemacht, dass die eigenen Eltern der Tochter keinen Glauben schenken, die schreckliches erlebt hat. So wie es sicherlich in unzähligen Familien noch heute passiert und passiert ist. Viele Geheimnisse kommen erst nach Jahren zu Tage, vorher haben sie so manches Leben zerstört. Hier ist eine ganze Menge Stoff eingebunden, den man erst einmal verarbeiten muss. Da gibt es die „sonderbaren“ Eltern, den Bruder, der sich, weil er zuhause kaum auf Interesse stößt, einer rechten Gruppe anschließt und India, die vom Nachbarn unsittlich berührt wird. Amelie Fried hat Indias Gedanken so wunderbar formuliert, man kann sich so richtig in das junge Mädchen hineinversetzen. Die Beschreibungen der Familienverhältnisse, der geschichtlichen Gegebenheiten in den 70er Jahren und die Wünsche einer ganzen Generation sind in diesem Buch auf besondere Weise herausgearbeitet. Vieles kann ich gut nachvollziehen, da auch ich in den 70er Jahren aufgewachsen bin. Fazit: Wer sich wieder in die 70er Jahre zurückversetzen möchte, einen gefühlvollen Roman lesen will und nicht abgeneigt ist, Geschichte zu verarbeiten, der sollte diesen Roman lesen, allerdings ist es kein leichter Lesestoff, er nimmt einen ziemlich mit. Ich würde dem Buch wünschen, dass es weiter vorn auf den Bestsellerlisten stehen würde als es derzeit steht.

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