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Rezension zu
Der Spanische Bürgerkrieg

Antony Beevor - Der Spanische Bürgerkrieg

Von: Hans Caastorb
04.11.2016

Antony Beevor zeigt mit diesem Sachbuch, dass Krieg im Nachhinein nie einfach zu beurteilen ist, besonders nicht der Spanische Bürgerkrieg. Schon in Bezug auf die Kriegsursache schreibt Beevor in der Einführung, dass es jeden Historiker überfordern würde, hier eine abschließende Antwort zu geben. Das Besondere dieses Buches sind die unglaublich zahlreichen Ereignisse, die Beevor chronologisch herausgearbeitet hat. Auf 655 Seiten dokumentiert der Autor den Spanischen Bürgerkrieg mit akribischer Genauigkeit: Ort für Ort, Persönlichkeit für Persönlichkeit, Mord für Mord, Schlacht für Schlacht. Dabei versucht er die Ereignisse so neutral wie möglich zu schildern und ein Gesamtbild dieses Spaniens zu vermitteln, das sich unter der Diktatur von Miguel Primo de Rivera windet, mit der 2. Republik unter Manuel Azana beinahe auseinander fällt und sich schließlich im Bürgerkrieg wehrlos von internationalen und nationalen Mächten zerfleischen lässt. Antony Beevor untermauert die Vorgänge mit Tagebucheinträgen von Generälen, Zeitungsartikeln, Augenzeugenberichten und Forschungsergebnissen von Kollegen. Dabei vergisst er nicht, in den Anmerkungen die Glaubwürdigkeit der Aussagen nicht zu überschätzen. Im Anhang helfen Aufstellungen der beteiligten politischen Parteien, Gruppierungen und Organisationen beim Leseverständnis. Auch die zehn größten Schlachten sind anschaulich als illustrierte Karten angefügt. Es ist ein Buch, das den Leser beschäftigt, wenn er sich darauf einlässt. In seiner Gesamtheit hinterlässt das Buch ein Gefühl dafür, was in diesem Bürgerkrieg geschehen sein könnte. Letztendlich aber zeigen die vielen historisch belegten Ereignisse, wie undurchschaubar die Hintergründe waren. Besonders im Vorfeld des Bürgerkrieges wiegelten sich die gegnerischen Seiten mit gefälschten Berichten und Hassparolen gegeneinander auf. Dort wurde eine katholische Kirche angezündet. Als Vergeltung brachte die Gegenseite willkürlich Unschuldige um. Unzählige Aufstände, Streiks, Morde und Putschversuche bereiteten den fruchtbaren Boden für die bevorstehende Katastrophe. Gil Robles erklärte 1936 im Parlament, dass seit dem 16. Februar 170 Kirchen niedergebrannt, 269 Morde verübt und 1287 Personen verletzt worden sind. Insgesamt sei es zu 133 landesweiten und 216 lokalen Streiks gekommen. Sehr interessant ist der internationale Aspekt, der bei diesem Bürgerkrieg eine große Rolle gespielt hat. Spanien wurde für das Schlachtfeld gehalten, auf dem über die Zukunft Europas entschieden würde. Es war ein Kampf zwischen Faschismus und Kommunismus. Der Vatikan bangte um seinen Einfluss. Aus England, Frankreich und Portugal kamen Freiwillige, die sich für die Republik engagierten wollten. Schriftsteller wie Ernest Hemingway, George Orwell, Andre Maltraux oder der deutsche Kommunist Gustav Regler waren als Kriegsreporter vor Ort oder kämpften mit. Hitler und Mussolini testeten in den Schlachten ihre Waffen. Für die Nationalsozialisten kam in der Schlacht von Belichte die berüchtigte "Stuka" das erste Mal zum Einsatz. Auch der "Blitzkrieg" bekam dort seinen Namen. Das "Flächenbombardement" wurde erstmals in Madrid und Guernica erfolgreich getestet. Jagdflieger gingen im Luftkrieg von der V-Formation zum Kampf in Doppelpaaren über. Die erste Luftbrücke von Marokko nach Südspanien wurde mit deutschen JU 52 und Hinkel 51 durchgeführt. Die 12.000 Mann der rein deutschen Legion Condor unterstützte die Putschisten bei den wichtigsten Schlachten. Für Hitler war Spanien militärisch das perfekte Testgelände, politisch die Bestätigung für seinen weiteren Weg in den Zweiten Weltkrieg: Amerika, Großbritannien und Frankreich übten sich in Nichteinmischung. General Franco war noch nicht lange tot, da begann Antony Beevor schon an dem ersten Prototypen dieses Buches zu arbeiten. 1982 erschien der Titel unter dem Namen "The Spanish Civil War". In den folgenden Jahrzehnten öffnete Russland viele seiner bisher geheimen Aktenbestände. Neues Material aus deutschen Archiven konnte mit der Zeit eingesehen werden. Weiters kamen von akribisch betriebener Forschung zu diesem Bürgerkrieg viele neue Details ans Tageslicht, teilweise Augenzeugenberichte oder Tagebuchaufzeichnungen von Beteiligten. Antony Beevor schrieb dieses Buch 2006 komplett neu. 2016 veröffentlichte der Pantheon Verlag diese Ausgabe, die wir jetzt in Händen halten. Bezeichnend für dieses Buch ist der letzte Satz: "Doch Geschichte muss, weil sie niemals fein und säuberlich aufgeräumt ist, stets mit Fragen enden. Schlussfolgerungen sind viel zu bequem." Für mich war dieses Sachbuch eine ungeheure Bereicherung. Es animierte mich, die Bücher von Hemingway, Orwell und Regler zu lesen. Ich konnte für mich einen Teil europäischer Geschichte aufarbeiten, von dem ich vorher nur wage Vorstellungen gehabt hatte. Es könnte sogar sein, dass ich dieses Buch ein zweites Mal lese - einfach aus Interesse an dem Thema.

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