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Rezension zu
The Brain

Ein Buch voller überraschender Einsichten über unsere Wahrnehmung und die Wirklichkeit!

Von: Elementares Lesen
02.04.2017

Jedes menschliche Gehirn ist so einzigartig wie eine Schneeflocke, schreibt der renommierte Neurowissenschaftler David Eagleman in seinem aktuellen Buch "The Brain – Die Geschichte von Dir". Milliarden Nervenzellen und Synapsenverbindungen bilden ein gigantisches Netzwerk, das unser Verhalten und unsere Gefühle durch elektrochemische Signale steuert. Wie verarbeitet das Gehirn, was um uns herum passiert und wie erleben wir es? Wie werden Entscheidungen getroffen? Welche Rolle spielen die Umgebung und andere Menschen? Und wie sieht unsere Zukunft dank neuer Technologien aus? Eine spannende Reise durch unser Gehirn! Erst mit etwa 25 Jahren ist das menschliche Gehirn ausgereift. Auch danach wird es durch neue Erfahrungen ständig verändert. Zu wenig Reize lassen es verkümmern, während die permanente Stimulation zur Stärkung bestimmter Hirnregionen führt. (So haben zum Beispiel Taxifahrer einen vergrößerten Hippocampus, der für das räumliche Gedächtnis zuständig ist.) Auch unsere Erinnerungen sind nicht fest zementiert, sondern werden ständig durch neue Eindrücke umgeschrieben. Unsere Persönlichkeit entwickelt sich dadurch ständig weiter. Was macht unser Gehirn mit all den Sinneseindrücken? Was ist die Wirklichkeit? An der Wahrnehmung sind immer mehrere Sinne beteiligt, die Informationen durch die Nervenzellen weiterleiten. Da diese jedoch in unterschiedlichem Tempo arbeiten, muss das Gehirn die Eindrücke erst synchronisieren - und das führt zu einer Verzögerung. Jeder Moment ist schon vorbei, wenn wir ihn wahrnehmen. Auch unsere Erwartungen bestimmen unsere Wahrnehmung. Ein Großteil dessen, was passiert, wird einfach ausgeblendet. Am Beispiel optischer Täuschungen erklärt der Autor, wie leicht unser Gehirn in die Irre geführt werden kann. Das Gehirn erzeugt für uns eine zurechtgestutzte Version der Wirklichkeit. Mehr noch: Die reale Welt "ist nicht nur farblos, sondern auch stumm: Der Druck und die Ausdehnung der Luft wird von den Ohren registriert und in elektrische Signale verwandelt. Das Gehirn stellt uns diese Signale als liebliche Klänge, Rascheln, Klappern und Klirren dar. Die Wirklichkeit ist außerdem geruchlos: Außerhalb unseres Gehirns gibt es keine Gerüche. Es gibt nur Moleküle, die durch die Luft schweben, sich mit Rezeptoren in unserer Nase verbinden und von unserem Gehirn als unterschiedliche Gerüche interpretiert werden. Die wirkliche Welt ist nicht voller sinnlicher Ereignisse; es ist unser Gehirn, das die Welt mit seiner eigenen Sinnlichkeit auflädt." Was wir erleben, hat also mit der Wirklichkeit wenig zu tun. Wir sehen eine Illusion! Und so kommt Eagleman zu seiner nächsten Frage: Wer sitzt am Steuer und entscheidet? Vieles, was wir tun, läuft automatisch ab; regelmäßige, alltägliche Handlungen wie Fahrrad fahren, Kaffee trinken, sich für einen bestimmten Weg entscheiden etc. werden von dem Netzwerk unserer Gehirnzellen veranlasst, ohne dass wir bewusst darüber nachdenken. Erst, wenn etwas Unerwartetes oder eine Konfliktsituation eintritt, schaltet sich das Bewusstsein dazu. "Das Bewusstsein ist ein System mit einer einmaligen Perspektive, die kein anderes Untersystem des Gehirns hat. … Es kann Pläne schmieden und dem System als Ganzem Ziele vorgeben." Ob wir über einen freien Willen verfügen und selbst entscheiden, ist allerdings fraglich. In Experimenten zeigt sich immer wieder, dass Entscheidungen, bei denen das Gehirn manipuliert wurde, dennoch als freie Entscheidungen empfunden werden. Doch die Forschung hat das Gehirn noch längst nicht durchschaut. Gerade wenn komplexe Entscheidungen gefordert sind, passieren viele Dinge gleichzeitig. Wir unternehmen Zeitreisen in die Zukunft mit verschiedenen Ausgängen, wir fechten einen Kampf zwischen Emotion und Verstand aus und wägen ab, wozu eine Fehlentscheidung führen könnte. Das Gehirn registriert körperliche Signale wie Angst. Verschiedene Netzwerke im Gehirn kämpfen um die Vorherrschaft! Wie frei wir in unseren Entscheidungen sind, kann die Hirnforschung derzeit nicht beantworten. Eagleman hebt die Bedeutung des sozialen Umfelds hervor, in dem wir ständig dazu lernen. Die Komplexität des Gehirns entsteht vor allem aus der Interaktion mit anderen Menschen. Wir beobachten genau und versuchen andere Menschen anhand der Signale, die sie aussenden, zum Beispiel ihrer Mimik und Gestik, einzuschätzen. Unbewusst spiegeln wir deren Verhalten – unsere Gesichtsmuskeln bewegen sich leicht mit unserem Gegenüber mit und helfen, dessen Absichten zu interpretieren. Experimente mit Botox-Nutzern haben gezeigt, dass diese aufgrund ihrer starren Mimik schlechter in der Lage sind, die Emotionen anderer zu beurteilen! Mitleid und Mitfreude bewegen uns, zumindest wenn wir jemanden als Teil unserer Gruppe betrachten. Eagleman erklärt, wie es dazu kommen kann, dass wir andere entmenschlichen und durch Propaganda sogar zu Völkermord fähig sind. Hier helfe nur Bildung, das Bewusstmachen dieser Mechanismen, wie der Autor in Experimenten mit Schülern zeigen konnte. Optimistisch beschreibt Eagleman die Chancen des medizinischen Fortschritts und der Biotechnologie. Er malt eine rosige Zukunft, in der wir körperliche und geistige Mängel besser reparieren können als bisher und sogar unsere Sinne erweitern können. Das Gehirn kann den Ausfall bestimmter Hirnareale oder auch einzelner Sinne problemlos kompensieren. Es kann Prothesen oder Implantate durch die Bildung neuer Schaltkreise in unser Körperbild integrieren. Zum Beispiel können Blinde lernen, durch Stromstöße auf ihrer Zunge ihre Umgebung zu „sehen“. Eine Eigenentwicklung des Autors namens VEST hilft Gehörlosen, durch Vibrationen wieder zu „hören“. Ob die Signale künstlich sind oder nicht, spielt für das Gehirn keine Rolle. Sobald es technisch möglich ist, könnten wir unsere Sinne erweitern: zum Beispiel elektrische Felder wahrnehmen oder ultraviolettes Licht sehen, Muster in Datenbergen interpretieren. Vielleicht könnten wir sogar unser Bewusstsein auslagern. Braucht das Bewusstsein überhaupt einen Körper? Ist eine digitale Existenz möglich? Im Moment ist das alles noch Zukunftsmusik, doch Eagleman ist überzeugt, dass es sich lohnt, diese Möglichkeiten zu erforschen: "Unser Körper ist im Grunde nur der Anfang. In einer fernen Zukunft werden wir nicht nur unseren Körper erweitern, sondern auch unser Selbstgefühl. … Wenn wir die Grenzen unserer angeborenen Sinnesorgane und Gliedmaßen hinter uns lassen, werden wir andere Menschen sein." Ein Buch voller überraschender Einsichten über die Wirklichkeit! Es ist sehr ernüchternd, aber auch faszinierend, dass es dem Gehirn überhaupt gelingt, eine schlüssige Realität für uns zu erschaffen! Eagleman erklärt plausibel, was sich in den Hirnregionen alles abspielt und wie die Zusammenarbeit der Nervenzellen aussieht, ohne uns mit Details zu überfrachten. Immer wieder spricht er den Leser persönlich an, wählt Beispiele, die leicht vollziehbar sind und erzählt spannende Details aus seiner Forschung. Ein logisch aufgebautes Buch, das hilft, unser Gehirn – und damit uns selbst – besser zu verstehen!

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