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Rezension zu
Fay

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Atmosphärisch auf den Punkt, treffend und sprachlich überzeugend erzählt

Von: Michael Lehmann-Pape
26.08.2017

Das Larry Brown in den Anfängen seiner Karriere nicht nur ein Fan von Stephen King war, sondern dessen Stil zunächst auffällig kopiert hat, ist auch noch diesem epischen und faszinierenden Roman anzumerken. Nicht im Sujet irgendwelcher übernatürlicher Ereignisse, durchaus aber in der sehr flüssigen Sprache, der sehr präzisen Beschreibungen von Personen und Orten und dem emotionalen Einbetten des Lesers in all diese Ereignisse, Beziehungen und Abläufe. Überaus flüssig erzählt Brown, wie es auch King zu eigen ist, weniger durch äußere Beschreibungen, sondern durch das „Miterleben“ mit den Figuren. So entsteht dieser intensive Reiz, die dichte Atmosphäre und die von Beginn an emotionale Nähe des Lesers vor allem natürlich zu „Fay“, der 17jährigen Hauptperson des Romans (auch dies ist eine der prägnanten Stilarten Kings, die Brown aufgegriffen und, im Lauf der Zeit, mit einem ganz eigenen Ton versehen hat). Brown erzählt durchweg plastisch. Der Leser spürt geradezu unter den eigenen Fingern die „dünnen Seiten“ einer Bibel auf einem Pult in der Kirche. Ist mittendrin im Cannabis-Nebel in einem Trailer, folgt so Fay nicht nur in den äußeren Schritten auf dem Fuß, sondern auch im inneren Erleben, Ungeschminkt, ohne Filter, direkt, klar und teilweise hart (allein schon, wenn der Leser durch die Augen Fay´s den Umgang einer abgehalfterten Frau mit ihrem Baby mit Beklemmung betrachtet). „Und als das Baby hinfiel, hörte Fay, wie sein Kopf mit einem üblen Geräusch an die Holzumrandung prallte“. Der Süden Amerikas. Ein Ort des „Herumhängens“, des „Herumlungerns“. Ein Ort von Menschen, die sich nichts sagen lassen würden. Weder von Gesetzeshütern noch von irgendwelchen „N…….“ (Schwarze werden hier bis heute natürlich nicht politisch korrekt bezeichnet). Eine Dicht Beschreibung, die zudem von Brown durch einen kleinen Kunstgriff noch gesteigert wird. Denn Fay hat bisher im „Hinterwald“ gelebt, mit ihren Geschwistern und ihrem Vater (auch diese Hintergründe werden Schritt für Schritt im Roman nebenbei mit offengelegt) und erkundet die „Welt da draußen“ nun Schritt für Schritt. Nicht als „tumber Tor“, denn Fay hat ein gescheites Gespür und kann sich durchaus wehren (was sie intensiv gelernt hat), aber doch mit den Augen des beobachtenden Neulings, was so vieles dem „zivilisierten Bewohner“ jener Gegend als selbstverständlich erscheint. Auf ihrem Weg zu ihrem persönlich „besseren Ort“, an der Küste, im Warmen, Biloxi soll es sein, bricht Fay damit zu einer persönlichen Odyssee durch den Süden Amerikas auf und prallt ein um das andere Mal mit anderen Menschen eng zusammen, die wiederum, jeder und jede für sich, ebenfalls ganz eigene, teils exotische Lebensstile pflegen. Und von denen durchaus das ein oder andere Mal auch Gefahren für Fay ausgehen. Bestens den Stil, aber auch im Groben das Sujet dieses Romans, fasst Joe R. Landsmann über seinen 2014 verstorbenen Autorenkollegen zusammen: „Larry Brown schreibt großartig über nicht so großartige Umstände. Sein Süden ist der, den ich kenne. Dunkel, wunderschön und widersprüchlich, voller Sünde und Sündern, Blut und Vergebung“. Vom harten Sex zu dritt im Trailer bis zum scheinbar wohlmeinenden Polizisten, der sich ihrer später annehmen wird. Von klar erkennbaren Außenseitern bis zu, nur scheinbar, problemlosen Familien der Mittelschicht, Brown zieht ein Kaleidoskop exemplarischer Menschen vor die Augen des Lesers, die einerseits Alkohol in Strömen ihrem Körper zumuten, neben dummdreist wirkenden „Hillbillys“, kontrastreich zur Landschaft, zum gemächlichen Fluß des Lebens im Süden gesetzt und (nicht viele) Menschen mit Perspektive und Hoffnung. Zu denen letztlich auch Fay in ihrer kongenialen Mischung aus Unwissenheit und Klugheit, aus Stärke und Verletzlichkeit zählt. Ein Entwicklungsroman und eine soziale Studie zugleich, bestens erzählt und den Dingen auf den Grund gehend, ohne zu analytisch daher zu kommen.

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