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Rezension zu
Die Gabe der Könige

Aus dem Leben eines Weit-Sehenden

Von: D. Bleckmann
01.09.2017

Fitz, ein Bastard mit königlichem Blut kommt an den Hof seines Großvaters und wird dort von diversen Mentoren unter die Fittiche genommen. In einer Zeit, in der Piraten die Küsten unsicher machen, und immer mehr Menschen von einer seltsamen Wesensveränderung heimgesucht werden, übt sich Fitz in der Rolle eines Stallburschen, wird von einer Waffenmeisterin ausgebildet und in jenem Talent unterrichtet, das als die „Gabe“ bekannt ist, aber nur Abkömmlinge adeligen Blutes besitzen. Diese Geschichte folgt keinen klassischen Fantasy-Plotmustern. Eine epische Queste, an deren Ende das Ergreifen eines Schatzes steht, sucht man genauso vergeblich wie auch andere typische Handlungsmarker. Stattdessen erleben wir den Weg eines Jungen (die Geschichte beginnt, als er sechs ist), wie er von unterschiedlichen Lehrern ausgebildet wird und dabei mehr als einmal fällt und sich wieder erhebt. Die Innenschau von Fitz steht im Vordergrund, es gibt verhältnismäßig wenig Dialog und noch weniger Action-Szenen. Überraschende Plot-Twists kommen ebenfalls nicht vor und die Spannung ergibt sich eher aus dem Ausbildungsalltag des Protagonisten als aus einem übergeordneten Konflikt. Und dennoch schafft die Autorin einen Sog, dem man nach einigen Dutzend Seiten nicht mehr entkommen kann. Diese ersten 50 Seiten braucht man erst einmal, bis man in die Handlung eingetaucht ist und es ergeht einem dabei wie dem Ich-Erzähler selbst, der in einen für ihn völlig neuen Kosmos geworfen wurde. Dabei wird das Leben von Fitz von diesem rückblickend und episodenhaft geschildert und somit immer wieder auch von auktorialen Einschüben und Kommentaren gebrochen. Weil (fast) jedem Kapitel ein Abschnitt übergeordnet wird, der Sachinformationen zur politischen Lage, Charakteren aus dem Königsgeschlecht oder Praktiken der Lehrmeister vertieft (befremdlicherweise übrigens weder durch einen Absatz oder Veränderung des Schriftformats von der eigentlichen Handlung abgehoben), und diese Abschnitte sogar aus einer anderen Zeit als die der eigentlichen Handlung geschildert werden, bekommt man auf diesem Wege differenzierte Informationen über die Welt, ohne das es sich zu sehr nach Infodump anfühlt. Im Gesamten liest sich die Geschichte somit weniger als eine unmittelbar stattfindende Handlung, sondern vielmehr wie eine stark reflektierte Biografie, eben die Chronik eines großen, nun gealterten Helden. Der Weltenbau scheint dabei nicht neu. Wir befinden uns in einem nordeuropäischen Setting, es gibt ein Feudalsystem und eine Bedrohung in Form fremdländischer Korsaren. Interessant ist das Konzept der Entfremdeten, die – so viel sei gesagt – hier mehr sind als nur wiederholte Aufwärmung des Zombie-Archetyps. Was sich genau dahinter verbirgt, wird nicht vollends aufgeklärt. Robin Hobb schreibt sehr sinnlich. Von differenzierten Geruchssinn-Schilderungen bis hin zu übersinnlichen Erfahrungen bietet sie eine erzählerische Bandbreite, die zum großen Teil für den bereits oben erwählten Sog verantwortlich ist. An den hauptsächlich von inneren Monologen, dem Bewusstseinsstrom des Ich-Erzählers, geprägten Erzählduktus muss man sich zwar erst einmal gewöhnen. Das befremdliche Gefühl ebbt jedoch nach und nach ab und dann verliert man sich in den persönlichen Schilderungen des Weitsehers, taucht in seine Wahrnehmung auch jenseits der Sinne ein. Die Form folgt dem Inhalt und andersherum. Wer Fantasy liebt, macht auch mit Robin Hobbs „Die Gabe der Könige“ nichts falsch. Zwar greift die Erzählung einerseits nur wenig Fantasy-Meme auf (eher sind es historientypische Motive) und auf der anderen Seite bietet der Weltenbau nicht viel Neues, aber die Geschichte besticht durch einen unerwarteten Erzählduktus. Auch wenn dieser zunächst eine Zeit der Gewöhnung bedarf, erzeugt er letztendlich eine soghafte Wirkung, die vor allem durch sprachlich außergewöhnliche Passagen zustande kommt.

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