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Rezensionen zu
Die Glücklichen

Kristine Bilkau

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Cover 006 Ein interessantes Debüt! Zu Anfang noch skeptisch aufgrund der allzu klischeehaft geschilderten “glücklichen” Szene-Kleinfamilie, bin ich spätestens im zweiten Teil des Romans in die Geschichte eingestiegen. Und jetzt wirds wirklich brenzlig! Was anfangs nur als drohende Möglichkeit im Raum stand, findet jetzt statt und legt sich wie ein grauer Schleier über das Heile-Welt-Leben der Protagonisten Isabell und Georg. Die beiden (Ende 30/Anfang 40) leben mit ihrem kleinen Sohn zufrieden und wohlversorgt in einer schönen Wohnung mit noch schöneren Berufen. Isabell ist Cellistin, beginnt nach der Elternzeit gerade wieder zu arbeiten, Georg ist Zeitungsjournalist. Doch das Haus wird renoviert (die Miete erhöht), Bauarbeiter lärmen und plötzlich kann Isabell nicht mehr spielen. Bei jedem Auftritt zittern die Hände. Sie verbirgt das wachsende Problem, lässt sich schließlich krank schreiben. Daraufhin wird ihr Vertrag nicht verlängert. Zur gleichen Zeit wird Georgs Zeitung verkauft und er entlassen. Während Georg in einen vernunftgesteuerten Sparmodus fällt und auf Jobsuche geht, versucht Isabell mit Konsum und Verdrängung der zunehmenden Unzufriedenheit und dem Zerbrechen der Beziehung entgegen zu treten. Das Kind verhält sich in dieser Szenerie als einziges total echt. Und dieser Teil des Romans ist der Beste. Denn plötzlich ist das, was vorher normal war, nämlich der Alltag in einer Beziehung mit Partner und Kind nicht mehr auszuhalten und wird von Zweifel und von der Frage, wie denn sonst zu leben wäre, durchsetzt. Das erzählt Bilkau in beeindruckender Art und Weise. Sprachlich direkt und mit tiefsten Untertönen zwischen den Zeilen. “womöglich haben manche Menschen ein Talent zur Unbeschwertheit und manche nicht; und wer diese Gabe nicht hat, wird durchlässig für alle dunklen Strömungen. Wir driften auf einen Punkt zu, den wir in uns tragen.” Leider ist mir der Schluß dann doch etwas zu lau. Das mag daran liegen, das ich kein Happy-End-Befürworter bin … na gut … man könnte es auch großzügig offenes Ende nennen.

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„Die Glücklichen“ lautet der Titel des Debütromans von Kristine Bilkau, der in Hamburg spielt. Damit können unmöglich die Protagonisten gemeint sein, dachte ich mir, je näher ich sie kennenlernte. Isabell und Georg führen mit ihrem kleinen Sohn vielleicht am Anfang der Geschichte noch ein intaktes Leben, doch das Glück steht auf sehr wackeligen Beinen. Immer wieder spürt man die latente Bedrohung, dass sich die Lebensumstände im Nu ändern und die Familie aus dem Gleichgewicht bringen könnten. Und so kommt es dann auch. Isabell kann nach der Babypause wegen Lampenfieber nicht mehr als Cellistin auftreten; Georg verliert wegen Sparmaßnahmen seinen Job in einer Zeitungsredaktion. Sie gehen unterschiedlich mit der Situation um, verspüren jedoch beide permanent den Drang, vor der Wirklichkeit zu fliehen. Isabell verkriecht sich am liebsten unter ihre Decke und verdrängt die Realität, Georg sieht sich teure Villen auf Immobilienportalen an und träumt von einem einfachen Leben auf dem Land. Kristine Bilkau trifft in ihrem Roman die typischen Existenzängste einer jungen Familie in der heutigen Generation sehr genau. Das Gefühl der Überforderung und Ausweglosigkeit vermittelt sie teils einfühlsam, teils schonungslos, was sich im Vokabular der Figuren ausdrückt: „Schwächling“, „Versager“, „Es ist alles zuviel“, „Wir schaffen es nicht.“ Am liebsten möchte man dem verzweifelten Paar aufbauende amerikanische Selbsthilfebücher über positives Denken ans Herz legen. Doch schon bald werden sie erkennen, dass man im Leben keinen Anspruch auf Sicherheit hat und es allein auf die eigene Einstellung ankommt, ob man sich zu den Glücklichen zählt oder nicht.

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Die Glücklichen haben sich eingerichtet, ihr Leben so gestaltet, wie sie es sich immer vorgestellt haben. Sie leben in renoviertem Altbau mitten in Hamburg, führen eine harmonische Beziehung, in welcher sie ihr Kind gemeinsam grossziehen und gehen ihren Traumberufen nach. Die Berufsmusikerin Isabell arbeitet als Cellistin im Orchestergraben einer Musical-Produktion, Georg, der Journalist, als Redakteur im Gesellschaftsbund einer grossen Tageszeitung. Doch das Glück ist konstruiert und zerbrelich, als wäre es ein Kartenhaus, das gnadenlos in sich zusammenfällt, sobald man nur eine einzige Karte herauszieht. Als wären Dinkelkekse, Vegieaufstrich und Apfelschorle die tragenden Wände eines ausgeglichenen Lebens. Der Druck auf Isabell ist übergross. Da sind die anderen Mütter, die sich nachmittags makellos und unverwüstbar in den Hamburger Cafés präsentieren. Da sind das Alter und die Einsamtkeit der schrulligen Schwiegermutter, die Isabell bei jedem Besuch daran erinnert, wie sie auf gar keinen Fall werden will. Da sind die Grabenkämpfe im Orchestergraben, in welchem Isabell Abend für Abend arbeitet. Und da ist der Arm der Cellistin, der ihr einfach nicht mehr gehorchen will. Auch Georg wird vom Schicksal nicht verschont. Seine Zeitung soll verkauft werden. Wochenlang halten sich die Gerüchte, bis sie von den Vorgesetzten bestätigt werden. Ein halbes Jahr später stehen beide ohne Job da. Isabells Zittern wird zu einer Angst vor Auftritten, die sie bald nicht mehr kontrollieren kann. Die wenigen Gelegenheiten, die sich zum Vorspielen ergeben, lässt sie verstreichen, indem sie sich sich auf dem Klo einschliesst. Über ihr Zittern reden kann sie nicht, nur über Schmerzen in der Schulter klagt sie. Mehr und mehr zieht sie sich in sich selbst zurück, kreiert eine heile Welt, in der sie sich gelegentlich Dinge gönnt, die eigentlich viel zu teuer für ihre momentane Situation sind. Georg dagegen wird von Existenzängsten förmlich überrollt. Er spart an allen Ecken und Enden, überlegt sich, auszusteigen und auf Selbstversorgung umzustellen oder in eine Kleinstadt zu ziehen, wo es noch günstige Wohnungen gibt. Immer mehr entfremdet sich das Paar. Dabei haben beide die selbe Sehnsucht nach dem Recht darauf, Fehler zu machen. “Sie muss annehmen, ich hätte meine Träume verraten, denkt Isabell, hätte mich nicht genug angestrengt; aber es muss doch auch in Ordnung sein, etwas nicht geschafft zu haben.” Voller Scham vergleichen sich die Beiden mit ihren Freunden und Bekannten, scannen diese nach Gesten des Mitleids und der Überheblichkeit ab. Auch hier werden die Gräben tiefer, denn Georgs Kollegen, welchen zusammen mit ihm gekündigt worden ist, finden einer nach dem andern neue Stellen. Aus Angst, als Letzter ohne Arbeit dazustehen, zieht sich Georg vor den Anderen zurück. Erst der Tod von Georgs Mutter lässt das Paar wieder zusammenrücken und ihre Sprachlosigkeit überwinden. Den Entscheid, das Erbe anzutreten, fällen sie gemeinsam. Es ist ein Erbe, das ihnen eine zusätzliche finanzielle Last aufbürdet. Denn nun muss Georg auch noch einen Kredit fertig abbezahlen, den sein Vater vor Jahren aufgenommen hat, um seinem Sohn eine akademische Laufbahn zu ermöglichen und somit eine gesicherte Zukunft zu bieten. “Eigentlich hätte ich längst in der Lage sein sollen, uns hier etwas anständiges zu kaufen.” Die Glücklichen spiegelt eine Generation wieder, die in der Gewissheit aufgewachsen ist, dass alles möglich sei. Nie mussten die heutigen 30-Jährigen unter Hunger leiden und ihre Eltern haben ihnen vorgelebt, wie man mit Fleiss und unermüdlichem Einsatz zu Wohlstand kommt und diesen vermehrt. Arbeistlosigkeit und Scheitern sind in ihrer Erziehung nicht vorgekommen. Aufwärts sollte es gehen. Doch bereits Georgs Vater musste am Ende seiner beruflichen Laufbahn feststellen, dass seine treue Kundschaft nach 50 Jahren wegbleibt, wenn ein Discounter die Ware viel billiger anbietet. Sein Schicksal sollte kein Einzelfall bleiben, Wirtschaft und Kunden wurden je länger je kühler und berechnender. “Das muss Ihnen auch klar gewesen sein”, sagt der Berater der Chefredaktion, als er die Mitarbeiter über die neuen Besitzverhältnisse und bevorstehende Veränderungen informiert und gibt damit den Ball der Verantwortung an die Belegschaft ab.

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Darum geht’s: Georg und Isabell leben in einer Altbauwohnung in der Großstadt. Ihr Sohn Matti ist noch klein; Isabell kehrt gerade in ihren Beruf als Cellistin zurück. Doch ihre Bogenhand zittert. Bei Georg sieht es beruflich auch nicht rosig aus: Der Tageszeitung, bei der er arbeitet, geht es schlecht. Isabell und Georg werden arbeitslos. Getrieben von Erwartungen an sich selbst, an einander und an das Leben beginnen die beiden, sich aufzureiben. Gefällt’s? Grundsätzlich ja. Eine Handlung, die sich langsam entspinnt, sich nicht aufdrängt. Zwei Figuren, die ich als Leserin nach und nach kennenlernen kann; die mir nicht unbedingt sympathisch, die aber schlüssig sind. Zwei Menschen, die alles haben, die sich zu ihrem Glück nur selbst im Weg stehen. Kristine Bilkau neigt zu Bandwurmsätzen. Das Gute: Die Sprache fließt dahin; sie spiegelt damit gut das Leben der beiden Protagonisten wider, die getrieben sind, im Strom schwimmen und erst mit der Zeit versuchen, Einfluss zu nehmen. Die Worte gleiten von Seite zu Seite, von Kapitel zu Kapitel; es fällt schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Nachteil: Manchmal nervt’s. Die Stimmung ist alles in allem recht trübsinnig – was nicht negativ ist; schließlich geht es um die Schwierigkeiten des Alltags. Es empfiehlt sich dennoch, das Buch zu lesen, wenn man guter Dinge ist. Und sonst? Er ist Redakteur, sie ist Musikerin, gemeinsam wohnen sie in einer Altbauwohnung – das ist alles klischeehaft berlinesk. Es macht die Geschichte nicht zwingend schlechter; es hätte dem Buch nur gut getan, gesamtdeutsch-provinzieller zu sein. Das gilt übrigens für etliche Bücher, in denen es um Lebenseinstellungen und Befindlichkeiten geht: Sie sind oft sehr aus dem Autoren- und Künstlermilieu heraus gedacht. Ich möchte mal ein Buch lesen, in dem der Mann Handwerker und die Frau Pförtnerin ist; in dem das Paar in einem miefigen Mehrfamilienhaus in Arnsberg oder Rostock oder Schweinfurt wohnt. Hätten sie dann dieselben Gedanken und Probleme wie Isabell und Georg?

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