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Rezensionen zu
Winter

Ali Smith

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Kühle Atmosphäre

Von: elashin.testet

07.09.2021

Eine ungewöhnliche Weihnachtsgeschichte auf einem großen Anwesen in Cornwall erzählt uns der Band Winter von Ali Smith. Hier kommen vier Menschen zusammen die aus einer Familie und einer Fremden besteht. Neben der Hausherrin Sophia, ihrem Sohn Arthur, der sie in Begleitung einer fremden Frau Namens Lux besuchen kommt, die er als seine Freundin vorstellt, von der er sich in Wahrheit getrennt hat (Charlotte), kommt noch Sophias Schwester Iris dazu, die seit langem kein gutes Verhältnis zu ihrer verbitterten und verwirrten Schwester hat. Arthur ruft seine Tante an und lädt sie zu diesem Treffen ein, besser gesagt er bittet sie darum dabei zu sein. Auch dieser Band hat wie der Vorgänger bestimmte Themen über die sich die vier unterhalten, diskutieren und ihre Ansichten zum Ausdruck bringen. Ob Digitalisierung oder Migration, es werden aktuelle Themen aufgegriffen und man kann in diesem Buch erkennen wie doch verschiedene Menschen im selben Raum, ganz unterschiedlich denken und Dinge betrachten. Der Schreibstil ist wie im ersten Band melodisch, poetisch und es macht Freude das Buch zu lesen. Es ist eine Art Reflektion von uns selbst und anderen Menschen und passt zu kurzen Tagen und langen Nächten im Winter. Auch hier ist das Cover sehr einfach gehalten und passt für mich gut zum Buch. Alle 4 Bände sind ungewöhnlich und keine einfachen Romane von der Stange, da sie sich mit realen und aktuellen Themen beschäftigen, uns zum Nachdenken bringen, aber auch etwas Fiktives haben und manchmal auch was zum Schmunzeln dabei ist.

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Es ist Weihnachten, das Fest der Liebe. Arthur, kurz Art, verbringt die Feiertage bei seiner Mutter Sophia in ihrem einstmals herrschaftlichen, heute nahezu verwahrlosten Anwesen in Cornwall. Begleitet wird er von Lux, einer jungen Frau, die er als seine Freundin Charlotte ausgibt, die sich kürzlich von ihm getrennt hat. Aus Sorge um den geistigen Zustand seiner Mutter kontaktiert er deren Schwester Iris, bittet sie, an ihrer Weihnachts-Schicksalsgemeinschaft teilzuhaben, obwohl die Schwestern seit ewigen Zeiten keinen Kontakt zueinander hatten. Das Quartett diskutiert, streitet, geht sich aus dem Weg, findet wieder zusammen, vereint und trennt. Sie sprechen über Vergangenes und Gegenwärtiges, es geht um die Wahrheit, subjektive und objektive, um Politik, Kunst und Familie. „Schönheit ist der richtige Weg, etwas zum Besseren zu verändern. […] Schönheit ist Wahrheit, Wahrheit Schönheit. Schönheit vorzutäuschen, das geht nicht“. (S. 208) Der zweite Band von Ali Smiths Jahreszeiten-Quartett diskutiert erneut relevante Thematiken der Jetzt-Zeit. Mit der bereits aus „Herbst“ bekannten kraftvollen und gleichzeitig höchst poetischen Sprache schafft sie erneut einen Mikrokosmos aus in diesem Fall vier Menschen, der verhandelt, was dem personalen Kleeblatt wichtig erscheint und für uns als von Bedeutung ist. Im Zentrum stehen dieses Mal vor allem die Themen Umweltverschmutzung, Migration und Flucht sowie Digitalisierung, die Smith immer wieder einstreut und aufblitzen lässt. Virtuos bedient sie sich dabei aus dem Repertoire ihrer großen sprachlichen Fähigkeiten und arbeitet sich vor allem an der Frage „Was ist Wahrheit und was ist Wahrnehmung?“ konsequent ab. Wie auch schon in „Herbst“ gelingt es Smith mit großer Raffinesse subtilen Humor und ernste, wichtige Gegenwartsthemen miteinander zu verknüpfen. Über Art, der einen Blog namens „Art in Nature“ führt und sich dabei mit einem hohen Maß an Lakonie über vermeintlich Randständiges in der Natur auseinandersetzt, bringt Smith die Umwelt-Thematik ins Spiel, die durch die Umweltaktivist*innen-Tätigkeit von Arts Tante Iris auf die Spitze getrieben wird. Jedes Thema wird von den vier Protagonist*innen auf unterschiedliche Weise betrachtet, bewertet und diskutiert. So geht es stets um mehrere Ebenen, die inhaltliche wie auch die das Thema bearbeitende. Jede*r hat seine eigene Wahrheit, bringt diese in den Diskurs ein, was gerade in Zeiten fortschreitender Digitalisierung – Arts Ex-Freundin macht sich mit der Zeit seinen Blog zu eigen, ohne die neue Autor*innenschaft kenntlich zu machen – zu neuen Formen von Wahrnehmung und Realität führt. Sinnbildlich steht dafür auch ein körperloser Kopf, der aus Sophias Gesichtsfeld herausgetreten ist und sie nun mutmaßlich begleitet, aber nur von ihr gesehen werden kann – ein Mahnmal für die heutige Zeit der Unzuverlässigkeiten! Ali Smiths „Winter“ knüpft nahtlos an „Herbst“ an – auch wenn ich den ersten Band noch ein kleines bisschen innovativer empfunden habe. Ein wahrlich literarisches Fest, das mich begeistert, beeindruckt hinterlässt und das zum Nachdenken einlädt!

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Winter

Von: LiteraturReich

29.01.2021

Ali Smith zu lesen, ist immer ein Erlebnis. Geistreich sind ihre Romane, virtuos, anspielungsreich, sprunghaft. Ihr jüngstes Projekt ist das Jahreszeitenquartett, mit dem die 1962 geborene Schottin 2016 kurz vor dem Brexit-Referendum begann. Herbst war der erste Teil betitelt, der im vergangenen Jahr auch auf Deutsch erschien. Nun folgen in jahreszeitlichem Rhythmus die weiteren Bücher. Winter ist der gerade aktuelle Roman von Ali Smith. Mit ihm macht es die Autorin der Leser:in zunächst nicht ganz leicht. War die stille, gleichfalls funkelnde Herbst-Folge über die zarte Beziehung einer jungen Frau zu einem sterbenden 101-Jährigen sehr zugänglich und berührend, verstört und verwirrt Winter unter Umständen gleich zu Beginn mit seinem Anspielungsreichtum. „Gott war tot: das gleich vorweg.“ Nach diesem Intro, dem eine recht lange Liste von Dingen, die auch tot waren – Romantik, Poesie, Kunst, Literatur, aber auch der Wohlfahrtsstaat, Wahrheit und Fiktion und etliche –ismen beispielsweise – folgt, begegnen wir der Protagonistin des Romans, Sophia Cleves. Die alleinstehende, ältere Ex-Geschäftsfrau lebt allein in ihrem Alterswohnsitz in Cornwall und befindet sich im Gespräch mit einem schwebenden Kopf. Ja, es ist der körperlose Kopf eines Kindes, der durch das Haus schwebt und Sophia in keiner Weise zu beunruhigen scheint. „Wir haben den Bereich der Mythologie betreten.“ wird als Zitat Muriel Sparks dem Roman als Motto vorangestellt. Hier erscheinen auch zwei andere Bezugsgrößen, die man als Ali-Smith-Leser:in bereits kennt: William Shakespeare und Charles Dickens. Der Sturm und Große Erwartungen spielten schon in Herbst eine Rolle. Und Winter lässt Ali Smith wieder mit einem abgewandelten Dickens-Satz beginnen. Denn natürlich spielt bereits dieser erste Satz auf den berühmten Beginn von A Christmas Carol an: „Marley was dead: to begin with.“ Auch Winter ist am Weihnachtsabend angesiedelt. Und wartet mit allerlei Bezügen zur vielleicht berühmtesten Weihnachtsgeschichte außerhalb der Bibel auf. Sophia Cleves, die Dame mit dem schwebenden Kopf, wartet auf ihren erwachsenen Sohn Arthur. Das Verhältnis der Beiden scheint nicht besonders eng zu sein. Als quasi alleinerziehende Geschäftsfrau – der Vater von Arthur war als Schauspieler ständig unterwegs – galt ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich ihrer Arbeit. Arthur führt einen Naturblog – „Art in Nature“ –, obwohl er sich gar nicht so sehr für Natur zu interessieren scheint, und sucht als Copyright-Wart für eine große Medienfirma nach Urheberrechtsverletzungen in Internet. Seine Freundin Charlotte hat sich gerade recht unsanft von ihm getrennt. Da er sie eigentlich seiner Mutter an Weihnachten zum ersten Mal vorstellen wollte, heuert er kurzentschlossen ein Mädchen von der Straße an, für die Feiertage als seine Freundin aufzutreten. Lux heißt das Mädchen. Und man darf den Namen ruhig symbolisch nehmen. Denn wenn ihre kroatischen Eltern sie auch ganz unromantisch Velux, nach der gleichnamigen Dachfenstermarke genannt haben, bringt dieses Mädchen doch – ganz nach der Fensterwerbung – Licht ins Leben von Arthur und Sophia Cleves. Sie ist sozusagen der gute Geist der Weihnacht. Selbst die ruppige, spröde Sophia scheint sie zu mögen. Lux traut sich auch, unbequeme Wahrheiten auszusprechen, die Mutter und Sohn sonst gern umschiffen. Doch die Drei bleiben nicht alleine. Art ruft, als er bei der Ankunft den beunruhigenden Zustand seiner Mutter feststellt – es ist keinerlei Essen im Haus, Sophia scheint verwirrt -, seine Tante Iris an, die sogleich mit reichgefüllten Taschen anreist. Iris ist das schwarze Schaf der Familie. Rebellisch und politisch engagiert, war sie als junge Frau in den Achtzigern maßgeblich an den Protesten am Air Force-Stützpunkt Greenham Common gegen die Stationierung von Cruise Missiles und dem dortigen Women`s Peace Camp beteiligt. Als Aufwieglerin wurde sie damals vom konservativen Vater und auch von Sophia quasi verstoßen. Das Wiedersehen der beiden Schwestern nach über 30 Jahren ist nerwartungsgemäß nicht konfliktfrei. Hier prallen Welten aufeinander, brechen alte Verletzungen und Rivalitäten wieder auf. Arthur steht dem Ganzen recht hilflos gegenüber. Gleichzeitig bekommt er die „Nachwehen“ seiner Trennung von Charlotte zu spüren. Diese hat seinen Blog und seinen Twitteraccount gehackt und verbreitet darüber Nonsense-Nachrichten. Eine, über die Sichtung des seltenen Kanadawaldsängers in Cornwall, beschert unseren Protagonisten eine Busladung Vogelfreunde, was Ali Smith sehr vergnüglich schildert. Überhaupt kommen trotz des schrecklichen Weihnachtswetter mit Dauerregen und Matsch und der angespannten Stimmung zwischen den Schwestern der Humor und die Ironie nicht zu kurz. Der ständige Wechsel von Außen- und Innenperspektiven schafft interessante Einblicke in die Charaktere und Ali Smith entzündet ein literarisches Feuerwerk mit unzähligen literarischen und künstlerischen Anspielungen. Cymbeline, das Drama von Shakespeare, wird als Blaupause verwendet, William Blakes Illustrationen von Dantes Göttlicher Komödie kommen genauso vor wie da Vincis Mona Lisa, der im Smartphone-Zeitalter die meisten Besucher nur mehr den Rücken zuwenden. Elvis singt „Muss i denn“, Charlie Chaplins Tod spielt eine Rolle und der Weltraumhund Laika. Und man kann die britische Bildhauerin Barbara Hepworth kennenlernen. Sicher gibt es Leser:innen die mit diesem Motivfeuerwerk nichts anfangen können, sich vielleicht überfordert fühlen. Zumal sich zu den kulturellen auch jede Menge politische Motive hinzugesellen. Der Brexit ist eines davon, der schwindende soziale Zusammenhalt der (nicht nur) britischen Gesellschaft, der verheerende Brand im Grenfell Tower 2017 mit 72 Todesopfern, Plastik in den Weltmeeren, Misogynie im Parlament, die Behinderung der Seenotrettung im Mittelmeer, generell die Flüchtlingssituation in Europa. Ich mag es, den Spuren zu folgen, zu googeln, Neues zu erfahren. „Die Menschen in diesem Land sind seit der letzten Wahl schrecklich wütend aufeinander, sagte sie, und unsere Regierung hat nichts getan, was diesen Zorn besänftigt hätte, sondern benutzt die Wut der Menschen für ihre eigenen politischen Zwecke – ein uralter faschistischer Trick, wie er im Buche steht, und ein sehr gefährliches Spiel.“ Ali Smith lässt Winter mit einer Rede des nun endlich aus dem Amt geschiedenen Trump enden, gehalten im Juli 2016, in gewohnt hasserfülltem, herabwürdigendem Ton. „Mitten im Sommer ist es Winter. Weiße Weihnachten. Gott steh uns bei, uns allen.“ Zumindest das hat sich mittlerweile erledigt. Corona war da noch eine mexikanische Biermarke. Es ist eine vielschichtige, hochpolitische, witzige, intelligente, aber auch warmherzige Winter- und Weihnachtsgeschichte, die Ali Smith mit Winter geschaffen hat. Ein Kammerspiel, fast ein Bühnenstück. Eine Gespenstergeschichte vielleicht auch, denken wir an den schwebenden Kopf. Den lockeren Ton hat sie mit ihrem Vorgänger Herbst gemeinsam, auch die sprachliche Virtuosität. Die Geschichte selbst ist vielleicht nicht ganz so zugänglich. Es ist Winter. Vielleicht bringt Frühling, das Ende März erscheinen wird, wieder mehr Offenheit. Leichtigkeit. Ich freu mich drauf.

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Wo wären wir ohne unsere Fähigkeit, mehr als das zu sehen, was wie sehen sollen? (S. 280) Dunkelheit, Schwermut, Kälte – der Winter ist die Jahreszeit, die uns das Überleben lehrt, uns aber auch näher wieder zusammenbringt, denn Weihnachten steht vor der Tür. Arthur hat vor, das heilige Fest gemeinsam mit seiner Freundin Charlotte bei seiner Mutter Sophia in ihrem Cottage in Cornwall zu verbringen, doch kurz vor ihrer Abreise haben sie einen heftigen Streit: Charlotte hält es nicht mehr aus, wie passiv er ist, sich nur mehr in seiner Arbeit verliert und jegliche Intimität auf der Strecke bleibt. Kurzerhand hackt sie seinen Twitter-Account und seinen Natur-Blog, zerstört seinen Laptop, und veröffentlicht Fake-News in seinem Namen, die das Netz schon bald überrollen. In seiner Verzweiflung trifft er zufällig auf ein junges Mädchen, Lux, und bittet sie, gegen Bezahlung seine Freundin zu spielen und ihn zu seiner Mutter zu begleiten. Dort angekommen merken sie, dass mit Sophia etwas nicht stimmt. Seit mehreren Tagen schon sieht sie Dinge, die nicht sein können, ein fliegender Kopf begleitet sie Tag und Nacht, hält sie wach. Die alte Frau ist abgemagert, wirkt verloren, verwirrt, nicht zu Ort und Zeit orientiert. Um sie wieder auf die Bahn zu bringen, bittet Arthur seine Tante Iris, die in der Nähe wohnt, vorbeizukommen – sehr zum Missfallen seiner Mutter Sophia, die sich seit Iris‘ plötzlichem Verschwinden in ihrer Jugend und ihren aktivistischen Aufmärschen von ihr entzweit hat. Gemeinsam verbringen sie denkwürdigende, alles verändernde Weihnachtstage im Cottage, teilen Erinnerungen und Mythen, führen Dispute und entlarven Lügen – und kommen sich dabei wieder näher. Der zweite Teil von Ali Smiths Jahreszeiten-Quartett ist, entgegen des Titels, alles andere als schwermütig. Vielmehr belebt er, fordert auf, die Beweggründe und Gefühle seiner Mitmenschen zu ergründen, empathisch zu sein, ein offenes Ohr zu haben. Denn Kommunikation wird viel zu sehr unterschätzt, dabei ist sie der Schlüssel einer guten Beziehung, jeder Interaktion, um Verständnis und Einsicht zu erlangen, sich Hilfe einzufordern und anzubieten. Es hat mich beeindruckt, wie mühelos Ali Smith mit den Wörtern und Phrasen spielt, die Geschichte sich entfalten lässt, ohne dem Leser direkt auf dem Silbertablett zu präsentieren, was ihre Intentionen sind. Gewiss hat die Erzählung im Verlauf phasenweise Längen und Stolpersteine; gerade zu Beginn brauchte ich mehrere Anläufe, um in die Geschichte zu finden – doch dann war ich total gefesselt. Nur langsam, Stück für Stück setzen sich die Puzzleteile der verschiedenen Rückblicke aus der Vergangenheit, verjährten Weihnachtsfestivitäten, Erinnerungen an Arthurs Kindheit, an die Jugend von Iris und Sophia zusammen und ergeben ein beeindruckendes Gesamtbild. Es blieben noch eine Fragen offen, doch das scheint so gewollt zu sein, trumpft „Winter“ mit fragwürdiger Mystik, mit Scheinbildern und Geheimnissen auf, deren Ursprung und Zukunft im Verborgenen bleiben. Trotz dessen nur vier Protagonistin auftreten, schöpft Ali Smith in Bezug auf die einzelnen Persönlichkeiten aus dem Vollen und gibt jedem seine ganz eigene Stimmfarbe. Sie gemeinsam interagieren zu sehen, sich gegenseitig aus der Reserve zu locken, zu reizen, hat mir viel Freude bereitet. Lux als wortwörtliches Licht in all dem zutage tretenden Zynismus schafft es, die gespaltenen Gemüter zu einen, ihnen einen Weg zu bereiten, mit ihrer Vergangenheit bar zu kommen – beinahe wie Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte. So scheint mit „Winter“ eine dunkle Passage des Lebenszyklus‘ beendet, denn nach der Dunkelheit, der Undurchdringlichkeit jeglicher Differenzen und Rückschlage, ist immer ein Licht, bleibt ein Funken Hoffnung – folgt ein neuer Start, ein neuer Frühling. Herzlichen Dank an den @luchterhand_verlag und das @bloggerportal für das #Rezensionsexemplar!

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Winter

Von: Bearnerdette

02.01.2021

Als erstes Buch im neuen Jahr beendet: Winter von Ali Smith, Teil zwei ihres Vier Jahreszeiten Quartetts. Herbst, den Vorgänger, habe ich im Rahmen eines Buchclubs gelesen und sehr gemocht. Ob mich der nächste Teil auch überzeugt hat? Art, ein junger Mann, der einen Natur Blog schreibt und sich vor Kurzem von seiner Freundin Charlotte getrennt hat, engagiert eine Obdachlose um an Weihnachten seine Freundin zu spielen. Sie soll mit ihm zu seiner Mutter Sophia fahren. Lux ist eine junge Studentin, die das Geld gut gebrauchen kann und das ungewöhnliche Angebot nur allzu gerne annimmt. Arts Mutter wiederum sieht seit Kurzem einen schwebenden Kinderkopf, der nicht von ihrer Seite weicht. Sie hat sich daran gewöhnt, integriert den Kopf in ihr Leben. Ihre Schwester Iris, eine sehr unangepasste, politische Aktivistin, kommt ebenfalls zum Weihnachtsfest… Chaos ist vorprogrammiert, insbesondere da die Schwestern nicht gut aufeinanderzu sprechen sind. Winter ist nicht so arg fragmentiert wie Herbst, geradelieniger, aber dafür gefühlt politischer. Brexit, Atomkrieg, Sexismus und das Trump-Problem werden thematisiert. Smith beweist sich dabei erneut als Wort-Virtuosin, schafft Passagen die zum Nachdenken anregen. Ein forderndes Buch, das eine eigentümliche Kraft entwickelt, mit eigenwilligen Charakteren. Kein Wort wirkt überflüssig in dieser Erzählung, ein meisterhaft komponiertes Stück über eine zerrüttete Familie. Grosse Leseempfehlung.

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Winter

Von: thursdaynext

12.12.2020

Ali Smith hat mich mit ihrem Roman „Es hätte mir genauso“ abgeholt, bestens unterhalten und stilistisch frech und spritzig überzeugt. Sie blieb mir im Kopf als Autorin von der ich unbedingt mehr lesen möchte. Unorthodox wie meist begann ich ihren Jahreszeiten Zyklus mit „Winter“, werde mich dann passend durch die übrigen Zeiten lesen. An Weihnachten trifft sich die Familie, es wird laut, mehrere Generationen versammeln sich um das gute Essen, rege Gespräche das Zusammenhocken wecken alte Animositäten. Soweit dürfte dieses Szenario etlichen LeserInnen bekannt sein, doch in Winter hat Ali Smith noch einiges mehr verpackt. Gesellschaftliches, politisches, Familienhistorie, aktuelles Zeitgeschehen, Kunst, Architektur, Landschaften und Liebe. Selbstverständlich alles komplett kitschbefreit. Geschliffen und leichtfüßig erzählt sie die komplexe Geschichte ihrer seltsamen Gestalten, die einem ans Herz wachsen gerade wegen ihrer zahlreichen Unzulänglichkeiten. In herrllichen Sätzen und mit amüsantem Unterton puzzelt sich das Geschehen der Protagonisten an diesem Weihnachtsfest zusammen, niemals mühsam, immer mit Vorfreude erfährt die Leserschaft von diversen kleinen Verletzungen, Begebenheiten und Denkweisen und Smith fügt alles gekonnt und sprachlich erfrischend zu einem winterlichen Gesamtbild. Die Hippieschwester und die Businessfrau der Sohn und Nefffe sowie seine „Freundin“ sind typisch smithsche Gestalten, sich deren Charme zu entziehen ist unmöglich. Sprunghaft und fluffig, mit einer subtilen Prise poetischer Magie schildert Smith nebenbei das aktuelle Zeitgeschehen, wertfrei und doch mit Untertönen. „Winter“ liest sich im Nu weg, hinterlässt ein angenehmes Gefühl, wenn der Blick danach auf das Buch im Regal fällt. Ein diffuses Erspüren von Winterruhe, Versöhnlichkeit und den Blick auf das Leben anderer Menschen.Davon möchte man gerne mehr. Für mich ist Ali Smith, die ich aufgrund ihres Stils für wesentlich jünger als sie tatsächlich ist gehalten habe, mittlerweile eine der ganz großen englischsprachigen Autorinnen.

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Weihnachtslektüre besonderer Art

Von: Ingeborg Rosen aus Berlin

17.11.2020

Wie bei einem guten Musiker, der ab dem ersten Ton sein Können, seine Qualität offengelegt, da hilft kein Simulieren oder Vortäuschen - so verhält es sich bei einem guten Buch: ab der ersten Seite setzt der Sog ein in diesen wunderbaren, zutiefst menschlichen Roman. Menschlich insofern, als er tatsächlich - sicher nicht alle, aber doch - ziemlich viele menschliche Züge aufzeigt und ausleuchtet. Ich muss an dieser Stelle ja nicht den Inhalt referieren, den kennen Sie. Fasziniert war ich von den Schilderungen, wie die von den aktuellen Zuständen betroffene / angegriffene / genervte Personen agieren, bzw. reagieren, und mit welcher Treffsicherheit, verbunden mit ihrem grossen Können, mit Sprache umzugehen und Zusammenhänge herzustellen Ali Smith das bewerkstelligt. Ein großes Lob gebührt in diesem Zusammenhang natürlich der Übersetzung von Silvia Morawetz. Mein Englisch ist nicht so gut, als dass ich dem Roman im Original auch nur annähernd gerecht werden könnte, aber die Splitter, die ich verstanden habe, fand ich großartig ins Deutsche übertragen. Ein Licht, eine Aufhellung, in diesem „Spielfeld“ ist, im wahrsten Sinne des Wortes, Lux, die unaufgeregt dazu beiträgt, dass sowohl die beiden Schwestern als auch Mutter und Sohn wieder miteinander reden. Ihr ist es zu danken, dass das Weihnachtsfest letztendlich ein gutes Ende nimmt und der Leser das Buch schließen kann, ohne sich Sorgen um das Leben des Personals machen zu müssen. Der Frühling kann kommen...

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Ali Smith ist eine Wortmagierin und mit diesem zweiten Band ihres Jahreszeitenzyklus hat sie uns wieder ein unvergleichliches und berührendes Meisterwerk gezaubert. Durch die Seiten des Buches wabern tagespolitische Themen wie Brexit, Weltpolitik, Fremdenfeindlichkeit und Klimawandel wie kalter Winternebel, auf den sich kostbare und amüsante Anekdoten, Zitate und Verweise auf Kunst, Film und Literatur wie zarte Strahlen einer pastellenen Wintersonne legen, die durch die Wolken brechen und unsere triste Winterwelt erstrahlen lassen. Die Zerrissenheit der Menschen zwischen Macht und Ohnmacht, Arm und Reich, Kunst und Kommerz, Künstlichkeit und Natur zeigt sie in der Geschichte einer zerrütteten Familie, die hier an den Weihnachtstagen aufeinandertrifft. Arthur nennt sich „Art“ und ist ein selbstverliebter Macho. Er arbeitet in der Medienbranche als Copyrightwart und schreibt nebenher kitschige Naturbetrachtungen unter Auslassung von Artensterben und Gletscherschmelze, eine Scheinheiligkeit, an der seine Beziehung zu der kritisch-klugen Charlotte gescheitert ist. Und es ist ihm nicht mal peinlich, dass er ein junges Mädchen an einer Bushaltestelle ansprechen und ihre Begleitung erkaufen muss, damit sie sich als Charlotte ausgibt, wenn er über Weihnachten seine Mutter Sophia besucht. Diese hat mit Sehstörungen zu kämpfen und mit kafkaesker Bankbürokratie. Sie lebt allein in einer maroden Villa in Cornwall und erinnert sich ihrer Kindheit und Jugend mit ihrer Schwester Irene. Mit dieser hat sie seit dreißig Jahren nicht mehr gesprochen und sie ist NOT AMUSED, als Arthur sie an Weihnachten einlädt. Dieses schwesterliche Zusammentreffen mündet in gegenseitigen Sticheleien und Streitgesprächen zwischen der gescheiterten Geschäftsfrau Sophie und der unermüdlichen Weltverbesserin Irene. Lux, die junge bezahlte Begleitung erweist sich als Vermittlerin, als Licht im Dunkeln, obgleich, wie sie augenzwinkernd anmerkt, ihre kroatischstämmigen Eltern sie eigentlich nach der Fenstermarke Velux benannt haben sollen. Dieser zweite Roman aus Ali Smiths Jahreszeitenquartett ist die ideale Lektüre für alle, die Weihnachtskitsch hassen und trotzdem eine Prise Hoffnung vertragen. Es handelt sich nicht um „...ein Werk, in dem zu Sophias fein ziselierter dur-sinfonischer Bescheidenheit und erzählerischer Schicklichkeit in der Geschichte, deren Teil sie ist, noch genau die richtige Prise unaufdringlicher Lebensklugheit und das Prestige der alternden Frau hinzukommen, sodass es eine besinnliche und würdevolle Geschichte wird, Gott sei Dank konventionell gebaut, die Art von hochwertiger Literatur, in der langsam über eine Landschaft treibender Schnee eine mildtätige Wirkung entfaltet...“ Nein, dieses Buch kommt weniger poetisch und introvertiert als sein Vorgänger daher. Es gibt keine weiße Weihnacht sondern matschige Schuhe, kein „Oh du Fröhliche“ sondern Zank und Zynismus, dazu lustvoll schwarzen Humor und bergeweise Ironie. Wir bekommen eine kühn geschriebene, verschachtelte und teilweise äußerst skurrile Weihnachtsgeschichte zu lesen, in der ein fliegender Kopf und ein fiktives Shakespearedrama ebenso ihren Platz finden wie Charlie Chaplin und eine Hoffnungsbotschaft ausgerechnet von Dante. Wie im Walzertakt oder in griechischen Hexametern tanzt Ali Smith mal schwermütig, mal leichtfüßig durch diese Erzählung, die auf vielschichtige und originelle Art erst anprangert und dann nach Versöhnung sucht und nach Gemeinsamkeiten, die alle Menschen verbinden, jenseits von Herkunft, politischen oder religiösen Vorstellungen. Am Ende stimmen sogar die noch immer zerstrittenen Schwestern ein zweistimmiges Lied an, denn es sind letztendlich die menschliche Kultur, die gemeinsamen Geschichten und die Musik, die uns verbinden und die Hoffnung zulassen, dass es immer wieder Frühling wird.

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