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Rezensionen zu
Auf Erden sind wir kurz grandios

Ocean Vuong

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"Vorsicht Spoiler"! "Ist das nicht das Allertraurigste auf der Welt, Ma? Ein Komma, das gezwungen wird, ein Punkt zu sein?" (Seite 185) Der Ich-Erzähler, Little Dog genannt, schreibt einen Brief an seine Mutter. Einen Brief, den sie vermutlich nie lesen wird. Denn Rose ist Analphabetin. Um das finanzielle Überleben der kleinen Familie sichern zu können, schuftet sie tagein, tagaus in einem Nagelstudio. Das transgenerational vererbte Trauma des Krieges in sich tragend, findet die alleinerziehende Mutter oft keine Worte für ihre Liebe. Little Dog wird als Kind häufig geschlagen und in einen Keller gesperrt, wenn er sich einnässt. Doch dieser Brief ist keine anklagende Abrechnung mit der Mutter. Vielmehr kann er als reflektierter Versuch gelesen werden, zu verstehen, warum Menschen zu dem werden, was sie sind. Er ist das Medium, über das der Ich- Erzähler seine Gefühle, Verletzungen und Erfahrungen der Kindheit und Jugend zur Sprache bringt. All das, was in der ambivalenten Mutter-Sohn-Beziehung unausgesprochen blieb, nicht geteilt, aufgearbeitet und geheilt werden konnte. Und der Brief hat auch eine emanzipatorische Funktion - er schildert den mühsamen Weg der Befreiung aus den kollektiven Prägungen der Vergangenheit zur selbstbestimmten "Ich-Werdung". Little Dog reflektiert dazu die migrantischen Erfahrungen einer vietnamesischen Familie in den 1990er/2000ern, verwebt die Lebensgeschichten und traumatischen Erfahrungen seiner Großmutter, seiner Mutter und seines "Großvaters" mit seiner eigenen Biographie. Er erzählt vom schicksalhaften Erbe des Vietnamkriegs, von Entwurzelung, abwesenden und gewalttätigen Vätern, Rassismus, Demütigungen und sozialer Ausgrenzung, von seiner ersten Liebe zum drogensüchtigen Trevor, von der Opioid-Krise, vom Comingout, von Queerness, Selbsterniedrigung, von der Liebe zum Schreiben, von Identitätssuche, vom Verzeihen. Und dies geschieht auf gleichsam sehr intime, ehrliche, verletzliche, feinfühlige, teils auch brutale und obszöne Weise. Little Dog beschönigt und idealisiert nichts, er klagt aber auch nicht an. Der US-vietnamesische Schriftsteller und Lyriker Ocean Vuong sprengt in seinem Debütroman die Grenzen der Genres. Vordergründig ein Briefroman, verwebt er ein literarisches und teils fragmentiertes Hybrid aus Prosa, Lyrik, Metaphorik, Fiktion und Autobiographie. Für mein Bedürfnis war dies ein kleiner Hauch zu viel sprachlicher Experimentalismus, da sich dadurch nicht an jeder Stelle ein Lesesog entwickeln konnte. Dennoch empfinde ich "Auf Erden sind wir kurz grandios", das im Juni 2021 als Taschenbuch erschienen ist, als eine sehr bereichernde Leseerfahrung. Ich kann das Lesen sehr empfehlen und bin gespannt, was der Autor zukünftig noch vorlegt. Der Roman erschien 2019 im amerikanischen Original "On Earth We`re Briefly Gorgeous". Übersetzt von Anne-Kristin Mittag.

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