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Rezensionen zu
Auf Erden sind wir kurz grandios

Ocean Vuong

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Anspruchsvoll, bewegend, grandios

Von: Sally N.

16.07.2021

Bei 𝗔𝘂𝗳 𝗱𝗲𝗿 𝗘𝗿𝗱𝗲𝗻 𝘀𝗶𝗻𝗱 𝘄𝗶𝗿 𝗸𝘂𝗿𝘇 𝗴𝗿𝗮𝗻𝗱𝗶𝗼𝘀 von Ocean Vuong hat mich das Cover und der Titel sofort gecatcht. Schon den Klappentext fand ich bewegend, doch was mich beim lesen erwartete war noch tiefgründiger. Das Buch ist ein Brief(bzw. kurze und oder längere Gedanken) an eine Mutter, die den nie lesen wird, weil sie es nicht kann… Am Anfang hatte ich Schwierigkeiten in die Geschichte reinzufinden, und ich ich fand sie echt wir war. Der Schreibstil ist ungewöhnlich, aber sprachlich sehr anspruchsvoll. Voller Bilder und Metaphern. Vuong ist in Hartford (Connecticut) als Sohn einer vietnamesischen Einwanderin aufgewachsen. Seine Mutter, Tochter eines vietnamesischen Bauernmädchens und eines amerikanischen Soldaten, eine Analphabetin, die in ihrer Heimat sowie in Amerika als Fremde galt. Seine schizophrene Großemutter ist ewig von dem Krieg gezeichnet. Die zwei Frauenfiguren prägen sein ganzes Leben. Voung verarbeitet in seinem Werk seine Kindheit und Jugend. Er spricht Themen an wie Herkunft, Familie, Gewalt, Armut, Diskriminierung, Rassismus und sexuelle Identität. Das alles schonungslos in einer fast märchenhaften Sprache. Dieses Buch ist zweifelsohne literarisch sehr anspruchsvoll. Definitiv keine Wohlfühlgeschichte. Ich musste das Buch öfters auf die Seite legen, um das Gelesene verstehen und verarbeiten zu können.

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Bei „Auf Erden sind wir kurz grandios“ handelt es sich um den ersten Roman Ocean Vuongs, der zuvor für seine Lyrik ausgezeichnet wurde. Ocean Vuong schreibt mit diesem Buch einen Brief an seine Mutter, die Tochter eines vietnamesischen Bauernmädchens und eines im Vietnamkrieg dort lebenden US-Soldaten ist. Ocean, der von seiner Großmutter und Mutter „little dog“ genannt wird, um die Geister zu täuschen und vom Kindsraub abzuschrecken, hat seine ersten beiden Lebensjahre in Vietnam verbracht, war dort zu weißhäutig und somit Außenseiter. Danach hat sich seine Mutter mit Kind und ihrer Mutter auf den Weg in die USA gemacht, um Oceans Vater und ihren Ehemann zu finden. Oceans Großmutter gab sich selber den Namen Lan (Orchidee), weil sie und ihre Geschwister nur durchnummeriert waren, nannte ihre Tochter Rose. Alle drei leben nun in den USA, sind dort aber Außenseiter; Lan kann die Sprache nicht, bleibt in den Kriegserlebnissen und Geschichten gefangen, zwischen Napalmwolken, Soldaten und klickenden Gewehren, die sie immer wieder hört und erlebt. Auch ihre vielen Erzählungen und Geschichten fallen aus einer anderen Zeit, zeigen Hoffnungslosigkeit und die Flüchtigkeit von Heimat und Muttersprache. Nicht nur ihr Geist, auch ihr Körper wird von den schrecklichen Erlebnissen buchstäblich zerfressen. Oceans Mutter (Rose) hat in ihrem Leben viel Gewalt kennengelernt und gibt diese auch an little dog weiter. Rose ist Analphabetin und wird den Brief ihres Sohnes niemals lesen; sie arbeitet in einem Nagelstudio; gewohnt, sich zeitlebens zu beugen und zu krümmen, entschuldigt sie sich bei den Kunden für alles, einem Mantra gleich. Auch sie fühlt sich aus Außenseiterin, ermahnt Ocean ständig, nicht aufzufallen. „Denk dran, fall bloß nicht auf. Du bist schon vietnamesisch.“ Und genau das bekommt Ocean ständig zu spüren; so ist er um dazuzugehören zu gelb. Er lebt mit Großmutter und Mutter zusammen in äußerst bescheidenen und stets hart erkämpften Verhältnissen, bewältigt die Schule gut, sucht sich einen Arbeitsplatz in der Tabakernte, verliebt sich in den Enkel (Trevor) des Eigentümers und entdeckt mit diesem seine Homosexualität . Während Ocean in die Stadt zieht und studiert, setzt sich Trevor wohl unbeabsichtigt den goldenen Schuß, so wie schon viele andere ihm bekannte Jugendliche aus der Gegend, in der die Chancen schlecht stehen. Ocean Vuong beschreibt den Weg seiner kleinen Familie und auch seinen eigenen im Besonderen, häufig in ganz ungewohnter Sprache und Blickwinkel – manchmal geradzu poetisch und ein anderes Mal erdrückend und niederschmetternd. Man erlebt wie Worte in Erinnerungen hineinziehen, die Flüchtigkeit von Heimat und Muttersprache samt dem Herausfallen aus dieser und wie es sich anfühlt, gesichts- und namenlos zu leben. Ocean Vuong beschreibt sehr nachvollziehbar, wie man im Krieg und den Erinnerungen daran lebt, sich ausgegrenzt und ausrangiert fühlt., vom ewigen Kampf ums Überleben und lder Weigerung einfach zu sterben., von er Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit. „Alles Gute ist woanders.“ oder „Sein oder nicht sein.Das ist hier die Frage.Eine Frage, stimmt, aber keine Wahl.“ (S.77) Und letztendlich findet Ocean seinen Weg, nicht nur sein Leben zu akzeptieren, sondern auch aus einem ganz neuen Blickwinkel zu betracheten und wertzuschätzen: „Neimand soll gleuben, wir seien die Frucht der Gewalt – sondern, dass Gewalt, die durch die Frucht hindurch gegangen ist, sie nicht verderben konnte.“ (S.251) Der Roman umfaßt ungefähr 260 Seiten; er vermittelt sprachgewaltig und auch zwischen den Zeilen (persönliche) Geschichte, zeigt Kriegserlebnisse und ihre Spuren in der Seele auf, beschreibt den Verlust von Heimat, Gesicht, Muttersprache und Formen von Ausgrenzung. Er ist sehr emotional geschrieben, zwischen Liebe und Gewalt, Hoffnungslosigkeit und Arrangieren. Ich mußte den Roman immer wieder beiseite legen und eine Pause einlegen; er liest sich nicht einfach so…. Er beeindruckt, fesselt und verstört und zieht in seinen Bann.

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Selten fand ich ein Buch derart grandios und zugleich war mir der Ich-Erzähler so, ungreifbar, unsympathisch. Ich forsche noch immer woran das liegt. Ocean Vuongs Roman Debüt ist stilistisch großartig. Poetisch, mitreissend, fast schon vereinnahmend erzählt und erweitert das USA Bild nicht nur um die Erfahrungen vietnamesischer Einwanderer und Kriegsflüchtlingen, die ihre Geschichte immer bei sich tragen und an die nächste Generation weitergeben. Menschen die ihr kleines Glück zu finden hoffen auch wenn dies „nur“ aus Sicherheit vor Gewalt besteht. Allein diese Geschichte hätte schon genügend Stoff, doch Vuong erweitert sie durch seinen Blick auf den amerikanischen Lebenstil, den er in winzigen Szenen, manchmal nur einzelnen Worten oder kurzen Sätzen pointiert skizziert einfließen lässt. Es ist ein sehr emotionales Lesen das einen einfängt. Hier wird Prosa sachte von Lyrik geküsst und so vereint sich das Beste aus beiden Gattungen. Der 1988 in Saigon geborene Vuong dem bekam 2016 für seine Texte den Whiting Award for Poetryund im Folgejahr den T.S. Eliot Preis, haut in diesem mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit stark autobiographischen Roman immer wieder zitierenswerte Sätze raus, die Atmospäre und manchmal auch Gänsehaut erzeugen. Großes Lob für die Coverauswahl das den Inhalt visuell wunderbar einfängt. „Das einzig Gute an Nationalhymnen ist, dass wir schon auf den Beinen sind und somit bereit loszurennen.“ Little Dog,so heißt Voungs vermutliches Alter Ego, ist von beiden Kulturen geprägt der mütter- und großmütterlichen vietnamesischen und der amerikanischen. Ab und an prallen diese beiden Welten in seinem kleinen Kosmos aufeinander. Was erklärt, weshalb der Protagonist diesen tiefen Blick hat für Dinge und Gewohnheiten die er permanent hinterfragt. „Little Dog“, wie er genannt wird macht sich zu allem Gedanken, kostet Erlebtes bereits während er es erlebt und versucht zu verstehen. Dieses Verständnis ermöglicht ihm zu verzeihen. Seiner Mutter zu verzeihen, der Analphabetin die nie lesen können wird was er da geschrieben hat, die ihn, weil es ihr nicht anders möglich war, geliebt aber auch misshandelt hat. Aufgrund von Misshandlungen ihrer selbst, die sich in ihre Biographie derart eingebrannt haben, dass sie ihnen nicht zu entkommen vermag und die ein Leben gesucht hat im Land des „Feindes“. Ocean Vuongs Geschichte erzählt von Verletzungen, von Krieg, Liebe, Familie, Prostitution in ihren verschiedensten Facetten, Kulturen und deren Clash, seltsamen Bräuchen, Verzeihen, Erwacshenwerden, innerer Stärke und Rettung durch Literatur. Man muss den Erzähler nicht mögen um diese Romanperle zu lieben. „Man sagt, nichts hält ewig, und ich schreibe dir mit der Stimme einer vom Aussterben bedrohten Art.“

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"Vorsicht Spoiler"! "Ist das nicht das Allertraurigste auf der Welt, Ma? Ein Komma, das gezwungen wird, ein Punkt zu sein?" (Seite 185) Der Ich-Erzähler, Little Dog genannt, schreibt einen Brief an seine Mutter. Einen Brief, den sie vermutlich nie lesen wird. Denn Rose ist Analphabetin. Um das finanzielle Überleben der kleinen Familie sichern zu können, schuftet sie tagein, tagaus in einem Nagelstudio. Das transgenerational vererbte Trauma des Krieges in sich tragend, findet die alleinerziehende Mutter oft keine Worte für ihre Liebe. Little Dog wird als Kind häufig geschlagen und in einen Keller gesperrt, wenn er sich einnässt. Doch dieser Brief ist keine anklagende Abrechnung mit der Mutter. Vielmehr kann er als reflektierter Versuch gelesen werden, zu verstehen, warum Menschen zu dem werden, was sie sind. Er ist das Medium, über das der Ich- Erzähler seine Gefühle, Verletzungen und Erfahrungen der Kindheit und Jugend zur Sprache bringt. All das, was in der ambivalenten Mutter-Sohn-Beziehung unausgesprochen blieb, nicht geteilt, aufgearbeitet und geheilt werden konnte. Und der Brief hat auch eine emanzipatorische Funktion - er schildert den mühsamen Weg der Befreiung aus den kollektiven Prägungen der Vergangenheit zur selbstbestimmten "Ich-Werdung". Little Dog reflektiert dazu die migrantischen Erfahrungen einer vietnamesischen Familie in den 1990er/2000ern, verwebt die Lebensgeschichten und traumatischen Erfahrungen seiner Großmutter, seiner Mutter und seines "Großvaters" mit seiner eigenen Biographie. Er erzählt vom schicksalhaften Erbe des Vietnamkriegs, von Entwurzelung, abwesenden und gewalttätigen Vätern, Rassismus, Demütigungen und sozialer Ausgrenzung, von seiner ersten Liebe zum drogensüchtigen Trevor, von der Opioid-Krise, vom Comingout, von Queerness, Selbsterniedrigung, von der Liebe zum Schreiben, von Identitätssuche, vom Verzeihen. Und dies geschieht auf gleichsam sehr intime, ehrliche, verletzliche, feinfühlige, teils auch brutale und obszöne Weise. Little Dog beschönigt und idealisiert nichts, er klagt aber auch nicht an. Der US-vietnamesische Schriftsteller und Lyriker Ocean Vuong sprengt in seinem Debütroman die Grenzen der Genres. Vordergründig ein Briefroman, verwebt er ein literarisches und teils fragmentiertes Hybrid aus Prosa, Lyrik, Metaphorik, Fiktion und Autobiographie. Für mein Bedürfnis war dies ein kleiner Hauch zu viel sprachlicher Experimentalismus, da sich dadurch nicht an jeder Stelle ein Lesesog entwickeln konnte. Dennoch empfinde ich "Auf Erden sind wir kurz grandios", das im Juni 2021 als Taschenbuch erschienen ist, als eine sehr bereichernde Leseerfahrung. Ich kann das Lesen sehr empfehlen und bin gespannt, was der Autor zukünftig noch vorlegt. Der Roman erschien 2019 im amerikanischen Original "On Earth We`re Briefly Gorgeous". Übersetzt von Anne-Kristin Mittag.

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Viel Aufmerksamkeit bekam dieses Buch schon als Hardcover. Nun ist auch das Taschenbuch erschienen. Wer es noch nicht kennt, dem sei es empfohlen. Ich wusste bereits, dass Ocean Vuong auch Gedichte schreibt (inzwischen ebenfalls ins Deutsche übertragen), so las ich die Leseprobe und merkte: Ja, das will ich lesen. Da ist einer, der hat eine poetische Sprache, der hat kluge Metaphern an der richtigen Stelle, dessen Sprache schwebt und sich erhebt über die Geschichte, seine eigene Geschichte, die auch eine Leidensgeschichte ist. Grandios auch das Coverbild und der Titel. Im ersten Teil beschreibt Ocean Vuong auf unruhige, nicht immer leicht durchschaubare Weise Kindheit und Familiengeschichte seines Protagonisten, genannt „Little Dog“. Hier wählt er die Briefform, ein vermutlich nie gelesener Brief an die Mutter, die Analphabetin ist. Er kommt mit zwei Jahren mit seiner Mutter und Großmutter aus Vietnam in die USA. Gleich zu Anfang wird die Gewalttätigkeit der Mutter thematisiert, die umso mehr erschreckt, als sie zwischen sprachlich feine Passagen gesetzt wird. Großmutter, Mutter, Kind: Alle durch den Vietnamkrieg psychisch erschüttert, alle nun in der Hoffnung auf ein besseres Leben im Land des Kriegsgegners. Alle binnen kurzer Zeit ohne jede Hoffnung. Es ist auch der Teil, der mir am eindrücklichsten bleibt. „Unsere Muttersprache ist so überhaupt keine Mutter – sondern eine Waise. Unser Vietnamesisch eine Zeitkapsel, die den Punkt markiert, an dem deine Bildung endete, zu Asche zerfiel, Ma, unsere Muttersprache zu sprechen heißt, nur teilweise auf Vietnamesisch zu sprechen, aber ganz auf Krieg.“ Im zweiten Teil geht es um die Identifizierung als Teenager, der sich zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlt bis hin zum Coming Out gegenüber der Mutter. Mit Trevor einem Farmerssohn erlebt er zum ersten Mal Sex. Auch hier ist Gewalt im Spiel, gewollte Gewalt. Es geht um die beiden Jungen, der eine weiß, der andere gelb, die sich durch die Zeit treiben lassen, begleitet von Drogen verschiedenster Art, langer Weile, Schwärmerei und dem Wunsch nach Rebellion, in einer heruntergekommenen Gegend, in einer für sie begrenzten Welt. „Da war Gewalt bereits alltäglich für mich, war, was ich letzten Endes von Liebe wusste.“ Im dritten Teil, fünf Jahre sind vergangen, studiert „Little Dog“ in New York Literatur. Als er von Trevors Tod durch eine Überdosis Heroin erfährt, kehrt er zurück in die Stadt seiner Jugend. Kurze Zeit darauf stirbt auch die Großmutter und Little Dog reist mit der Mutter zur Beisetzung zurück nach Vietnam, nach Saigon. „Ich wollte nie einen „Textkörper“ erschaffen, sondern sie, unsere Körper, atmend und verschollen im Text bewahren.“ Vuong unterfüttert seine Geschichte mit einzelnen Sätzen, Zeilen, die ungeordnet aus dem Rahmentext hervorbrechen, die teils wirken, als versuchten sie wie Säulen den Fließtext in seiner inhaltlichen Brüchigkeit und manchmal auch Grobheit zu stützen. Einfach ausgedrückt, bestehen sie womöglich aus gewonnener Erkenntnis in poetische Bilder gelegt. Was mir gefehlt hat, ist die Entwicklungsgeschichte Little Dogs hin zum Studium, zur Literatur und zum eigenen Schreiben. Das hätte mich brennend interessiert.

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