Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezensionen zu
Wir Gotteskinder

Nana Oforiatta Ayim

(2)
(2)
(0)
(0)
(0)
€ 9,99 [D] inkl. MwSt. | € 9,99 [A] | CHF 15,00* (* empf. VK-Preis)

Das Buch nimmt einen von Anfang an mit und hat durch sein farbenfrohes Cover sofort mein Interesse geweckt. Es „passiert“ nicht wirklich viel in dem Buch, eher geht es im die vielen kleinen Details und Zwischentöne, die uns als Leser ganz genau verstehen lassen, wie sich Maya fühlt und wie verloren sie sich vorkommt, weil sie nicht richtig weiß, wo sie hingehört. Der Schreibstil der Autorin gefällt mir sehr gut und man merkt dem Buch an, dass sie weiß, worüber sie schreibt. Ich bin mir sicher, dass dieses Buch nicht nur Afrika-Fans sehr gut gefallen wird, sondern allen Menschen ein wenig das Herz für diesen Kontinent öffnen wird, und uns hilft zu erahnen, wie es Menschen geht, die von dort zu uns kommen. Ich kann es euch wirklich sehr ans Herz legen!

Lesen Sie weiter

Dies könnte ein Märchen mit einer Prinzessin und dem König eines wundersamen, verschollenen Reiches sein. Doch was nach Fantasy klingt, ist die bittere Realität kolonialer Aneignung aus einer ganz neuen, frischen Perspektive erzählt: Maya wächst in Deutschland auf, ihre Eltern Stipendiaten aus Ghana, die kamen und blieben, nachdem das Königreich ihres Großvaters mütterlicherseits in Afrika verloren gegangen war. Mayas deutscher Alltag ist verwoben mit den Geschichten und Mythen, die ihre Mutter erzählt, und dem Bewusstsein einer seltsamen Gabe. „Ein Gotteskind, das das Flüstern des Universums deutlicher hören konnte als den Lärm der Welt ringsum, deutlicher als die Stimme der Ahnen oder sogar der Geschichte. Sie oder er reiste durch die Zeiten und rückte auf jeder Etappe zurecht, was früher falsch gelaufen war.“ Poetisch beschreibt sie ihr Anderssein in Deutschland, die kulturellen Unterschiede und ihre Ambivalenz gegenüber dem selbstbewussten Auftreten ihre Mutter, die als afrikanische Prinzessin Respekt erwartet, wo ihr Misstrauen und Unverständnis entgegen schlagen. „Sie redete und lachte und wedelte mit den Händen, und alle sahen sie an, als hätte sie all die kleinen Lämpchen aus ihren Laternen genommen und für sich vereinnahmt, und ich wünschte mir, dass sie manchmal einfach as Licht ausknipsen würde.“ Dieser Stolz darauf, Afrikanerin zu sein, wird ihr abgesprochen, Ablehnung, Empörung und Herablassung bestimmen die Tonart der anderen Mütter. Maya wird als Lügnerin beschimpft, denn ihre Hautfarbe verleitet die Freundinnen dazu, sie als armes Flüchtlingskind zu sehen und nicht als selbstbewusste Enkelin eines Königs. Missverständnisse sind an der Tagesordnung, und sie wünscht sich nichts sehnlicher als „diese Schlichtheit, wie ich auch die durchsichtige Klarheit von Robert McNallys Haut durchdringen und mich dort widergespiegelt sehen wollte.“ Ein Friseurbesuch wird zum Initiationsritus, ein Umzug nach England nach der Trennung der Eltern führt zu der überraschenden neuen Erkenntnis, dass die Lebens-Realität im Königreich der ehemaligen britischen Kolonialherren nichts anderes als die eines langweiligns, feuchten Drittweltlands ist. Ihr Cousin Kojo entwickelt die Idee einer neuen Geschichtsschreibung ohne die eurozentristische Perspektive der ehemaligen Kolonialstaaten und die Idee, ihrem Land dienen zu müssen, verankert sich tief in Mayas Selbstverständnis. In ihr lodern ein gewisses Sendungsbewusstsein und die Fragen nach Abstammung, Wurzeln, dem eigenen Königreich. Sie erkennt, dass Kultur und Tradition, Geschichte und Geschichten die Identität nicht nur einer Person sondern eines ganzen Landes ausmachen. Wenn diese abgesprochen wird und fehlt, gehen Zusammenhalt, Gemeinschaftsgefühl, Familie verloren. Goethes Idee einer Weltliteratur scheint Maya vielversprechend, unter der Voraussetzung, dass alle Geschichten der Welt vergleichbar wären, und berücksichtigt werde, „dass einige widerrechtlich angeeignet oder für primitiv erklärt worden waren; oder dass einige geschrieben, andere erzählt oder getrommelt worden waren; oder dass manchmal die Veränderung von Farbe, Ton und Rhythmus ein Überschreiten von Grenzen beeinflusste, wie diese Geschichten bei ihrer Ankunft aufgenommen wurden.“ Doch Kojo, der versucht am modernen Ghana mitzuwirken, stirbt bei einem Autounfall und kurz darauf erliegt Mayas Mutter einem Schlaganfall. Dennoch gibt Maya ihre Vision nicht auf und sucht nach Verbündeten im Kampf um die Rückgabe kolonialer Beutekunst und für ein großes Afrikanisches Museum. „Unser äußerst wichtiges Schwert, unsere Krone, unser Königsschemel - die ganzen Schlüssel zur Macht unseres Königreichs - rotten vor sich hin in den Verliesen von Museen und Sammlern, irgendwo in Abrokyere, ohne dass man von ihrem spirituellen Wert weiß. Und du wunderst dich, dass unsere Macht geschwunden is? Dass unser Land sich in den eigenen Schwanz beißt?“ Mit dem Trick, mit der zunächst naiven, in Deutschland sozialisierten Perspektive der kindlichen Maya zu beginnen und Kojos Bemühungen, ihr die afrikanischen Perspektiven und Codes nahezubringen, wendet sich die Autorin indirekt an die Leser*innen, klärt uns auf und zieht uns in die Geschichte hinein. In diesem anspruchsvollen Roman ist das allmähliche Aufkeimen eines afrikanischen Selbstbewusstseins, der Stolz auf die Tradition und die Notwendigkeit einer Rückgewinnung der historischen Deutungshoheit sowie der geraubten Kultur in eine anrührende Coming of Age Geschichte verpackt. Da zwischen den Zeilen so viel Ungesagtes mitschwingt, quasi die alten Seelen atmen, die Geschichten sich verändern und vermehren, ist es keine leichte Lektüre. Es ist ein kunstvolles, etwas künstliches Buch über die Verschränkung postkolonialen Lebens mit präkolonialer Kunst und es ruft uns alle dazu auf, uns mit den Versäumnissen unserer Ahnen auseinanderzusetzen. Mayas Mutter und Kojo geben ihrer Erzählung Timbre, Ton und Thema, sind gleichsam Refrain und wiederkehrendes Motiv. Ein aufregendes Plädoyer, Afrika nicht auf seine Defizite zu reduzieren, sondern seine Tradition, Kunst und Kultur als gleichwertig und ebenso identitätsstiftend für seine Bewohner anzuerkennen, wie Jane Austens Romane für die Engländer oder Goethes Gedichte für uns Deutsche.

Lesen Sie weiter

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.