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Rezensionen zu
Maifliegenzeit

Matthias Jügler

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Es ist eine ganz unglaubliche Geschichte, die Matthias Jügler in seinem neuen Roman Maifliegenzeit erzählt. Und doch ist sie wohl tausendfach so passiert. Direkt vor unserer Haustür, in der ehemaligen DDR. Dass darüber so wenig bekannt ist, ist fast genauso unglaublich wie die Vorgänge selbst. Der fünfundsechzigjährige Ich-Erzähler Hans lebt mit Anne im thüringischen Unstruttal. Seine Leidenschaft gilt dem Angeln, was auch den Titel des Romans erklärt. Maifliegen sind Eintagsfliegen, die gern als Köder zum Fliegenfischen verwendet werden. Dem kurzen Leben der Insekten im geflügelten Stadium geht ein mehrjähriges Larvenstadium im Wasser voraus. Sie besiedeln den Grund stehender und langsam fließender Gewässer und lassen sich, wenn schlupfreif, vom Grund an die Wasseroberfläche treiben und häuten sich an der Oberfläche, wovon sie dann direkt auffliegen. Die Paarung erfolgt dann im Flug und das Weibchen legt die befruchteten Eier auch im Flug ab, wobei es im Zick-Zack-Flug zur Wasseroberfläche hinabstößt. Dabei bilden sie eine ideale Beute für Fische. Abgesehen davon, dass Hans ein passionierter Angler ist, den diese Tätigkeit immer sehr stark an die Zeit mit seinem Vater erinnert, birgt der Titel Maifliegenzeit auch anderen Symbolgehalt. Denn auch in Hans Leben kommt etwas aus der Tiefe an die Oberfläche, fischt er nach Informationen und Erinnerungen im Trüben, muss etwas die vermeintlich stille Oberfläche durchbrechen. Daniel hat angerufen Auslöser ist ein Anruf, den Anne entgegennimmt. „Daniel hat angerufen.“ So die lapidare Nachricht, als Hans eines Tages vom Fischen nach Hause kommt. „Daniel, mein einziges Kind, das seit vierzig Jahren tot ist.“ Damals in den 1970er Jahren war Hans mit Katrin verheiratet. 1978 kam ihr Sohn Daniel in einer Klinik in der DDR auf die Welt. Nach der Geburt wurde Katrin und Hans allerdings mitgeteilt, dass das Neugeborene, das der Mutter direkt nach der Geburt weggenommen wurde, schwerkrank in eine Kinderklinik gebracht werden musste und auf der Fahrt im Rettungswagen verstorben sei. Die Leiche durften die Eltern vor der Beerdigung nicht sehen, die Krankenakten blieben unter Verschluss. Katrin hatte sofort Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussagen. Neben dem tiefen Schmerz über den Verlust ihres Kindes quälte sie die Ungewissheit, was mit Daniel geschehen war und zusätzlich der Unglaube ihrer Umgebung. Auch Hans wollte von ihren Vermutungen und ihrem Beharren darauf, dass Daniel noch lebt, nichts wissen. Er vergrub sich lieber im Schmerz. Die Ehe scheiterte. 1987 starb Katrin an Krebs. Bis zuletzt hat sie daran festgehalten, dass ihr Sohn lebt. Vor der Geburt gab es keinerlei Anzeichen, nach der Geburt hörte sie ihn kräftig schreien. Nachforschungen durch Hans nach der Wende offenbarten Ungereimtheiten. So war in den größtenteils geschwärzten Akten, die nun eingesehen werden konnten, ein hoher Apgar-Wert verzeichnet, der für ein gesundes Kind sprach. Aber auch nach dem Zusammenbruch der DDR wurden solche Dinge häufig verschleiert. Hans zeigte sich wenig hartnäckig. Spätes Happy End? Und nun der Anruf durch Daniel, der eher zufällig darauf gestoßen ist, dass er einst adoptiert wurde. Der Hans über eine Internet-Plattform gefunden hat und diesen nun kennenlernen will. Was wie ein spätes Happy End klingt, ist aber fern von der Erfüllung eines Traums, denn Daniel will die Geschichte von Hans und Katja nicht glauben, unterstellt, dass sie ihn „nicht hatten haben wollen“. Die Geschichte ist wirklich unglaublich, allein, wie in dem Krankenhaus mit den Gebärenden und nachher mit den trauernden Eltern umgegangen wurde. Dass es vermutlich bis zu 2000 solcher Fälle gab, in denen Totgeburten vorgetäuscht wurden und die Neugeborenen dann an systemrelevante Eltern „vermittelt“ wurden, ist schwer fassbar. Matthias Jügler stieß darauf durch den Kontakt zu einer Frau, Karin S. aus Wippra, die immer noch nach ihrem Kind sucht und die Inspiration für Maifliegenzeit war. Andere haben ihre totgeglaubten Kinder mittlerweile gefunden. Das Buch erzählt von einem dunklen Kapitel der DDR, das mit bislang nicht bekannt war. In seinem leisen, nachdenklichen Roman macht der Autor dieses dankenswerterweise bekannt. Das Fischen ist für Hans Trost und Erinnerung an seinen verstorbenen Vater, immer wieder nimmt er dorthin Zuflucht. Auch der Autor ist ein passionierter Angler. Für die Geschichte und die doch vermutlich eher weniger angelbegeisterten Leser:innen nimmt es ein wenig zu viel Raum ein. Das ist ein kleiner Wermutstropfen in einem ansonsten wunderbaren Buch.

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