Vor 30 Jahren ist auf einer Insel kurz vor der isländischen Hauptstadt Reykjavík Lara verschwunden, ein gewöhnlicher Teenager, die in ihren Ferien als Haushaltshilfe bei einer Familie gearbeitet hat. Sie wurde nie wieder gefunden, der Fall gerät trotz anfänglich großer Aufmerksamkeit mehr und mehr in Vergessenheit. Doch als der Journalist Valur auf den Fall stößt und weitere Hinweise findet, beginnt er zu recherchieren…
Für seinen neuen Roman hat sich Autor Ragnar Jónasson ungewöhnliche Unterstützung geholt: Katrín Jakobsdóttir, die Premierministerin von Island, hat an dem Krimi mitgewirkt, der passenderweise nach der isländischen Hauptstadt „Reykjavík“ benannt wurde. Dabei wird von zwei verschiedenen Zeitebenen erzählt, wobei die Ereignisse vor dreißig Jahren einen eher kleinen Anteil haben. Es ist für mich aber genau die richtige Dosis gewesen, davon zu erfahren. Die Ermittlungen in der Gegenwart sind recht langsam erzählt, nur stückchenweise nähert man sich mit neuen Informationen den Hintergründen des Verschwindens von Lara. Der Spannungsbogen geht durch das geringe Tempo zwar stellenweise etwas unter und einige Passagen lesen sich dadurch etwas zäh, doch der Detailreichtum, der dadurch entsteht, ist gelungen. Gegen Ende zieht die Spannung aber deutlich an und präsentiert sich in Hochform.
Die Stimmung des Romans ist sehr dicht, wie man es von Ragnar Jónasson gewohnt sein darf. Dabei bringt er zwar auch lebendige Beschreibungen von Schauplätzen ein, doch wie seine Figuren aufeinander reagieren, bringt noch viel mehr Ausstrahlung mit sich. Die Figuren sind sehr gut erarbeitet, auch die Nebenrollen haben ihre Momente, in denen sie scheinen können. Ergänzt wird dies durch eine eingängige und passende Sprache, die sich flüssig und angenehm lesen lässt.
„Reykjavík“ ist ein in sich abgeschlossener Roman, der einen reizvollen Cold Case erzählt. Die beiden Zeitebenen ergänzen sich sehr gelungen, die sich langsam zusammenfügenden Hinweise erzeugen schnell eine subtile Spannung. Vieles bleibt für lange Zeit im Verborgenen und erklärt sich erst ganz am Ende. Durch die lebendigen Charaktere und eine dichte Szenerie liest sich der Krimi gut herunter und hinterlässt einen positiven Eindruck.