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SPECIAL zu Sabine Thiesler

Interview mit Sabine Thiesler

Die Fragen stellte Bernd Degner

Fassen Sie »Hexenkind« bitte in einem Satz zusammen.
Sabine Thiesler: »Hexenkind« erzählt die Geschichte einer Familie, die geprägt ist von Unglück, Gleichgültigkeit, Betrug und Verrat. Alle Familienmitglieder versuchen, ihren Frieden zu finden und mit ihrer Vergangenheit zu leben, aber das Verhängnis ist wie ein Sog, der alle mit ins Verderben reißt: ein Verderben, das in schrecklichen und völlig unerwarteten Morden gipfelt.

Worin unterscheidet sich »Hexenkind« grundlegend von Ihrem Erstlingswerk und Debüterfolg »Der Kindersammler«?
Sabine Thiesler: Ganz einfach. Dadurch, dass ich eine völlig andere Geschichte erzähle. Obwohl der Titel »Hexenkind« heißt, geht es diesmal nicht um Kindermord. Eine Frau wird ermordet. Eine Ehefrau und Mutter zweier Kinder. In einem einsamen, alten Bauernhaus in der Toskana, versteckt im Wald, wird sie mit durchgeschnittener Kehle gefunden. Ich erzähle die Geschichte dieser Frau und ihrer Familie und allmählich wird klar, was geschehen ist und warum diese Frau ermordet wurde. Ähnlichkeiten mit dem »Kindersammler« finden sich nur darin, dass die Geschichte wieder zum großen Teil in der Toskana spielt und dass auch diesmal die Polizei eine vollkommen untergeordnete Rolle spielt. Es geht mir nicht um Ermittlungen. Es geht mir wieder um das tragische Verhalten von Menschen, die verletzt worden sind, mit ihren Gefühlen nicht zurechtkommen und in verhängnisvoller Art reagieren, ohne dass es ihnen bewusst ist.

Was war beim Schreiben dieses Romans für Sie das Faszinierendste?
Sabine Thiesler: Das Kennenlernen der Figuren und der Umgang mit ihnen. Ich erfinde Figuren, ich erfinde eine Familie. Und erst ganz allmählich, beim Schreiben und auch dadurch, dass ich im Grunde rund um die Uhr an diese Menschen denke, werden ihre Charaktere immer komplexer. Sie bekommen Konturen, Ecken und Kanten. Sie gewinnen an Persönlichkeit und irgendwann sind sie einzigartig. Jeder für sich. Dann kenne ich sie genauso gut wie mich selbst, ich kann ihnen in den Kopf gucken, verstehe ihre Gedanken und Gefühle, und ihr Handeln bekommt eine Eigendynamik, die ich nicht mehr erfinden muss, die ich nur noch kontrollieren kann. Das ist wunderbar, wenn ein Buch derartig zum Leben erwacht. Dann weiß ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin, und die Figuren sind ein Teil meines Lebens geworden, wie leibhaftige Menschen, die man nicht mehr vergisst.

Charakterisieren Sie die ermordete Sarah.
Sabine Thiesler: Sie ist eine kluge Frau, eine schöne Frau und eine extrem leidenschaftliche Frau. Sie lebt ihre Sexualität ohne jedes Tabu, sie sucht sich ihre Männer selbst aus, sie nimmt sich, was sie braucht. Bei ihr gibt es keinerlei moralische Bedenken. Die Liebe bestimmt 24 Stunden am Tag ihr Denken, Fühlen und Handeln. So etwas macht Probleme. Und es verletzt andere Menschen. Sarah kann nicht aus ihrer Haut, aber es ist ein gefährliches Leben, das sie führt.

Warum haben viele Verbrechen ihre Wurzeln tief in der Vergangenheit?
Sabine Thiesler: Menschen tun das, was sie für richtig halten. Aber sie sind getrieben von ihren Sehnsüchten und Bedürfnissen. Gewalt erzeugt Gegengewalt. Wer in seiner Vergangenheit gelitten hat, entwickelt andere Bedürfnisse als jemand, der geborgen und geliebt aufgewachsen ist.

Was ist für Sie das perfekte Verbrechen?
Sabine Thiesler: Ein stark motiviertes Verbrechen, das dennoch unentdeckt bleibt. Aber eigentlich gibt es das perfekte Verbrechen nicht, es sei denn, die Polizei versagt völlig. Al Capone hat einmal gesagt, bei einem Verbrechen können 100 Dinge schiefgehen. Wenn man allein 50 vorher bedenkt, ist man ein Genie. Dennoch ist die Beschäftigung mit dem perfekten Verbrechen schon seit Jahren mein Thema. Eine faszinierende Angelegenheit. Eigentlich eine Lebensaufgabe. Und ich glaube, ich bin dem perfekten Verbrechen im »Hexenkind« schon ziemlich nahegekommen.

Ihr neuer Roman spielt wieder zu weiten Teilen in der Toskana. Was fasziniert Sie daran so?
Sabine Thiesler: In der Toskana lassen sich Geschichten erzählen, die in Deutschland so gar nicht möglich sind. Wir befinden uns auf der einen Seite in einem hoch entwickelten Land, in einer Kulturhochburg sozusagen, aber auf der anderen Seite gibt es in diesem kleinen Italien einsame Gegenden, die ihresgleichen suchen. Einsame Häuser auf Bergen, in Wäldern oder Tälern, die keine Nachbarn haben. Von denen aus man ewig lange mit einem Jeep auf abenteuerlichen Wegen fahren muss, um das nächste Haus oder ein winziges Dorf zu erreichen. Diese Kombination finde ich faszinierend. Und vielleicht genießt es ja auch der Leser, aus seinem geordneten Groß- oder Kleinstadtleben in eine wilde Welt entführt zu werden, die er vielleicht nur aus seinen Träumen kennt.

Haben Sie schon eine Idee für Ihren nächsten Roman?
Sabine Thiesler: Ich habe nicht nur eine Idee, ich schreibe schon. Und ich glaube, es wird wieder eine spannende, aufwühlende Geschichte. So viel kann ich verraten: Meine Auseinandersetzung mit dem perfekten Verbrechen geht weiter …

Die Fragen stellte Bernd Degner,
Heyne Verlag, Presseabteilung

Hexenkind

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