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Jay Asher »Tote Mädchen lügen nicht«

»Tote Mädchen lügen nicht« von Jay Asher - Jetzt verfilmt auf NETFLIX

Am Ende zählt alles

Rezension von Manuela Haselberger

Was für ein Debüt! Der Roman des amerikanischen Autors Jay Asher „Tote Mädchen lügen nicht“ gehört zu den Büchern, die einem während des Lesens mit einem Ruck den Boden unter den Füßen wegziehen, die Denkprozesse in Gang bringen und lange im Gedächtnis haften bleiben. Kurz: Ein Buch das alle Aufmerksamkeit verdient.

Eine Tote ergreift das Wort
Seit kurzem ist in der Oberstufenklasse von Clay ein Stuhl leer. Und er bleibt auch leer, denn Hannah Baker hat sich das Leben genommen. Die Mitschüler und Lehrer reagierten auf den Selbstmord des Mädchens mit Bestürzung; niemand konnte sich die Tat erklären.

Dann erhält Clay einen Schuhkarton, gefüllt mit Musikkassetten. Er ist fassungslos, als er darauf Hannas Stimme hört - live und in Stereo. Vor ihrem Tod hat sie ihre Erlebnisse und Gedanken aufgezeichnet. Dreizehn Personen sollen sich nun ihre Geschichte anhören, denn sie alle haben bei ihrem Tod eine Rolle gespielt.

Nacheinander erhalten alle die Kassetten; jeder, der sie angehört hat, schickt sie an die nächstbenannte Person in Hannahs Geschichte weiter. Die Empfänger sind nicht nur Freunde und Mitschüler, auch Lehrer erhalten Post von der Toten, so dass am Ende für keinen die müde Entschuldigung bleibt, er habe nichts mit ihrem Tod zu tun und könne ihn sich auch gar nicht erklären.

Keine Sicherheit, nirgends
Einzeln betrachtet, waren es Kleinigkeiten, die für Hannah am Ende zu einer erdrückenden Last wurden. An erster Stelle in ihrer Erzählung steht Justin, der erste Junge den sie geküsst hat. Später erfährt sie, dass Justin die harmlose romantische Sache aufbauscht und bei seinen Freunden mit seinen sexuellen Erfahrungen prahlt. „Ein Gerücht um einen Kuss hat mir den Ruf eingebracht, den andere Leute für bare Münze nehmen.“ Tyler, ein Junge aus ihrer Klasse, verfolgt sie seither mit seinem Fotoapparat und lauert ihr sogar nachts vor ihrem Zimmer mit seiner Kamera auf. Um ihn zu ärgern, massiert sie eines Abends ihre Freundin Courtney und bestätigt so aus Jux wieder ihren schlechten Ruf. Keine gute Idee.

In der Schule weckt ein neues Fach ihr Interesse. Mit großer Begeisterung besucht sie den neuen Lyrikkurs und freundet sich mit Ryan an. Die beiden tauschen sogar ihre Gedichte aus. Eigentlich hat sie gehofft in ihm eine Art Seelenverwandten gefunden zu haben. Nie im Leben hätte Hannah damit gerechnet, dass Ryan ihr Vertrauen missbraucht und eines ihrer persönlichsten Gedichte stiehlt und ohne ihr Wissen in der Schulzeitung veröffentlicht. Immer wenn Hannah meint, einen Freund gefunden zu haben dem sie vertrauen kann, wird sie bitter enttäuscht und hintergangen. Am Ende wird pausenlos hinter ihrem Rücken in der Schule getuschelt, selbst daheim in ihrem Zimmer ist sie nicht mehr ungestört. Und das Schlimmste: auch ihre Gedanken werden der Lächerlichkeit preisgegeben.

Ein Roman in Stimmen
Jay Asher erzählt diese aufwühlende Geschichte nicht eindimensional, sondern er bedient sich mehrerer Erzählebenen und verschiedener Stimmen. Zu Hannahs Stimme kommen die Überlegungen von Clay, der sich daran erinnert, wie er die einzelnen Vorfälle erlebt hat, was er sich dabei dachte und wie Hannah auf ihn wirkte. Während er sich die Kassetten anhört, fährt er zu den Plätzen, die Hannah beschreibt. Er schaut sich den Spielplatz an, setzt sich aufs Klettergestell, auf dem sie ihren ersten Kuss erhielt und geht weiter bis zur Kreuzung. Hier geschah in jener Nacht, als alle Mitschüler eine gigantische Party gefeiert haben, ein Unfall, bei dem ein Schüler der Abschlussklasse getötet wurde. Schuld war ein fehlendes Verkehrszeichen, ein umgefahrenes Stoppschild. Hannah weiß, dass genau dieses Zeichen kurz zuvor von ihrer Freundin Jenny mit dem Auto umgefahren wurde, denn Hannah saß mit im Wagen. Die Mädchen haben zu wenig an die Konsequenzen ihres Handelns gedacht.

Das richtige Wort im richtigen Moment
Ein Roman, der unter die Haut geht und Jugendlichen und Erwachsenen gleichermaßen empfohlen werden kann. Am Ende bleibt die erschreckende Erkenntnis, dass selbst unbeabsichtigte Kränkungen weitreichende Folgen haben können, weil für den, der sie fortgesetzt von allen Seiten erfährt, irgendwann die Grenze dessen erreicht ist, was er oder sie ertragen kann. Auch Clay, der zu Beginn der Story lapidar meint, dass er Hannah Baker kaum kannte, dass er lediglich einen Sommer im Kino mit ihr gejobbt und auf einer Party ein bisschen mit ihr rumgeknutscht hätte, muss am Ende seine Meinung revidieren. Das richtige Wort von ihm im richtigen Moment hätte die Dinge ändern können.

Jay Asher kam während des Besuchs eines Museums, als er mit einem Audioführer durch die Ausstellung geleitet wurde, auf die Idee zu diesem Buch. In seinem Roman führt die Stimme Hannahs durch ihr kurzes Leben – eine Audioführung bis zum Tod.
Manuela Haselberger
(bookinist)

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