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Rezensionen zu
Die Unruhigen

Linn Ullmann

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"Um über wirkliche Personen zu schreiben wie Eltern, Kinder, Geliebte, Freunde, Feinde, Onkel, Brüder oder zufällige Passanten,ist es notwendig, sie zu fiktionalisieren. Ich glaube, dies ist der einzige Weg, ihnen Leben einzuhauchen." (S. 287) Dies ist das Leitmotiv dieses Buches. Linn Ullmann schreibt über ihr Leben, ihre Erinnerungen, ihre Eltern, die Schauspielerin Liv UIlmann und der Regisseur Ingmar Bergman. Das alles soll fiktiv sein und doch kommt man den Personen näher als jede Biographie das vermocht hätte. Vater und Tochter möchten eine Reihe Tonbandaufnahmen machen, um Gespräche über das Leben und das Altern festzuhalten und daraus ein Buch zu machen. Doch als es soweit ist, ist es eigentlich zu spät, dem Vater sind Worte und Erinnerungen abhanden gekommen. Später wird er seine Tochter nicht mehr erkennen. Das erste Mal aufgefallen ist ihr die schleichende Veränderung des Vaters, als er zu einer Verabredung zu spät kommt und sich nicht entschuldigt. Er, der auf Pünktlichkeit zeitlebens bestand und für den eine verspätete Minute ein Vergehen war, kommt zwanzig Minuten nach der vereinbarten Zeit und merkt es nicht einmal. Es sind diese Kleinigkeiten, die nur Angehörige wissen können, die plötzlich eine große Bedeutung bekommen. Und mit solchen Momenten ist das Buch gefüllt. Erinnerungen an die Besuche beim Vater, die Eltern hatten sich früh getrennt, an die Ferien in Hammars, dem Landsitz des Vaters. Erinnerungen an die Jahre mit der schmerzhaft bewunderten Mutter, der Schauspielerin, die ihre Tochter bei der Oma und wechselnden Kindermädchen parkt und sich doch selbst so sehr nach heiler Welt und Geborgenheit sehnt. Erinnerungen, die so wunderbar klug und feinfühlig niedergeschrieben wurden, dass man die Autorin stellenweise einfach umarmen möchte. Selten habe ich ein Buch gelesen, dass mich so berührt hat, und das ganz ohne Pathos oder Rührseligkeit. Linn Ullmann erinnert sich liebend an ihre Eltern, sie stellt nicht bloß, auch nicht da, wo sie es könnte und vielleicht sogar Grund dazu hätte. Und beschreibt dabei Momente, in denen man Schmerz und Trauer hautnah spüren kann, Momente, in denen mir die Tränen einfach herunterliefen und ich trotzdem lächeln musste, weil Bücher solche Emotionen bei mir nur selten hervorrufen. Und die ganze Zeit habe ich mich gefragt, wieso ich diese ja durchaus nicht unbekannte Autorin erst jetzt entdecke, die so schreiben kann, dass ich hilflos meinen eigenen Gefühlen ausgesetzt bin, dass ich ein vierhundert Seiten starkes Buch über die Vergangenheit anderer Menschen in anderthalb Tagen lese und dabei alles stehen und liegen lasse, was mir vorher wichtig erschien. "Die Unruhigen" ist ein ungeschminktes, sehr ehrliches Buch, eines, das auf sehr leise Art unter die Haut geht und eines, das mich unglaublich beeindruckt hat. aber das hat wohl inzwischen jeder Leser dieser Besprechung schon gemerkt.

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Er galt schon zu Lebzeiten als Legende und konnte sich mit seinen Werken wie „Fanny und Alexander“ oder „Szenen einer Ehe“ in der Filmgeschichte verewigen: Am 14. Juli wäre der schwedische Regisseur Ingmar Bergman 100 Jahre alt geworden. Der Film und das Theater waren seine großen Leidenschaften. Die Liste der Preise, mit denen er geehrt wurde, ist lang. Er erhielt sowohl den Oscar als auch die renommierten Auszeichnungen bekannter Filmfestspiele, wie Cannes, Berlin und Venedig. Seine Tochter Linn Ullman zeichnet in ihrem autobiografischen Roman „Die Unruhigen“ Bergman vor allem als Privatmensch und Vater – auf eine faszinierende und ergreifende Weise. Dabei ist dieses Buch, das passend im Gedenkjahr nun in deutscher Übersetzung vorliegt, nicht das ureigenste Werk der bekannten norwegischen Schriftstellerin und Tochter der Schauspielerin Liv Ullmann, sondern eher ein Vermächtnis. Gemeinsam mit ihrem berühmten Vater fasste sie einst den Beschluss, ein gemeinsames Buch über das Altern zu schreiben. Sechs Tonband-Aufnahmen, die wenige Wochen vor dem Tod Bergmans entstanden sind, bilden eine Art Gerüst. Tochter und Vater führen Gespräche, sogenannte Sitzungen, zu den verschiedensten Themen. Doch erst Jahre nach diesen Aufnahmen stieß Ullmann wieder auf das Gerät und arbeitete die Tondokumente auf. Dabei bildet die Niederschrift der Dialoge nur einen geringen Teil des Romans, wenn auch einen wichtigen weil authentischen, fühlt der Leser doch besonders hier die enge emotionale Bindung zwischen Vater und Tochter; obwohl bekanntlich Bergman insgesamt sechs Beziehungen, darunter fünf Ehen führte und Vater von neun Kindern war. Erstaunlich ist dabei auch, dass in dieser Patchwork-Familie, die sich regelmäßig auf dem Familiensitz auf der schwedischen Insel Fårö nahe Gotland eingefunden hat, scheinbar nie Groll zu spüren war. Den überwiegenden Teil machen die Erinnerungen Ullmanns aus, die allerdings eine besondere literarische Verarbeitung erfahren haben. Sie werden nicht nur nicht linear erzählt, sondern in regelmäßigen Zeitsprüngen. Auch werden die Namen von Vater, Mutter und Tochter nie beim vollen Namen erwähnt, sondern nur in der Art ihrer Beziehung: also eben als Mutter, Vater etc. Es entstehen damit ein gewisser Abstand zwischen den damaligen Ereignissen und der Autorin sowie eine kühle Sachlichkeit, ohne dass die unterschiedlichen, jedoch stets intensiven Bindungen innerhalb des Dreigestirns verwischen. Als Schauplatz steht dabei vor allem Hammars, jener Familiensitz, den Bergman Ende der 1960er errichten und nach und nach ausbauen ließ, im Mittelpunkt. Heute betreibt eine norwegische Stiftung das großzügige Areal als Kulturzentrum. Für Linn Ullmann war Hammars immer mit den Ferien verbunden, in denen sie den Vater besuchte, mit dem sie oft im eigenen Hauskino Filme ansah. Jeden Sommer lag ein Zettel mit herzlichen Worten der Begrüßung auf dem Tisch, in dem die jüngste Tochter liebevoll angesprochen wird. Diese Zeit an der Seite des Vaters war ein beständiger Fixpunkt in einem sonst eher unruhigen Leben zwischen zwei Elternteilen, die selbst ein bewegtes Leben geführt und sich nach wenigen Jahren der Beziehung wieder getrennt haben, doch im Kontakt blieben: Mit der Mutter Liv zieht die Tochter oft um, innerhalb Oslos und mehrfach nach Amerika. Was Ullmann bereits als Kind immer wieder gequält hat, ist die furchtbare Angst, die Eltern zu verlieren. Ullmann beschreibt ihren Vater nie als eine Überfigur. Vielmehr wird er in diesem Roman in seinen persönlichen Eigenschaften porträtiert: als Künstler, für den Theater, Film und Musik alles bedeutet haben, als Workaholic, der sich oft und viel in das Arbeitszimmer zurückgezogen hat, der für seine Arbeit schier gebrannt hat, und dem später als betagter Mann diese intensive kreative Beschäftigung mit Kollegen nahezu schmerzhaft gefehlt hat. Doch trotz dieser Umtriebigkeit nimmt er sich Zeit für seine große Familie, die vielen Kinder, die sein Leben ebenso reich gemacht haben wie seine Filme und Theaterinszenierungen. Letztlich wird das Altern, der drastische Verlust körperlicher und geistiger Fähigkeiten, die letzten Jahre und Monate Bergmanns bestimmen. Er zieht sich vollkommen zurück auf Hammars, vor allem der Tod seiner letzten Frau Ingrid hat ihn erschüttert, wie Ullmann mehrmals schreibt. So ist Redundanz eines der Stilmerkmale. So wie bekanntlich jeder seine persönliche Erinnerungen wieder und wieder hervorholt, im Gedankenstrom wendet, neu beleuchtet, so erzählt Ullmann mehrfach in fragmentarischer Art und Weise von besonderen Ereignissen, Szenen und Anekdoten. Die Vergänglichkeit, das Ende des Lebens und der Abschied, die Rückschau auf das Erreichte, aber auch das Verlorene beschreibt sie in einer berührenden Emotionalität und Tiefe. Auch der Altersunterschied zwischen ihrem Vater und ihr von 48 Jahren beschäftigt sie oft. Zudem versammelt der Band Zitate großer Namen; wie beispielsweise Virginia Woolf, Ludwig Wittgenstein, Jean Cocteau. Selbst der Titel des Buches ist ein besonderer Hinweis: Er stellt eine Verbindung zum Roman „Das Buch der Unruhe“ des portugiesischen Schriftstellers Fernando Pessoa her, der auch an einer Stelle erwähnt wird, als Vater und Tochter gemeinsam auf der Suche nach einem Titel für ihr Werk sind. Der Roman der mehrfach preisgekrönten Norwegerin ist ein großartiges Buch, das nicht nur als autobiografisches und sehr persönliches Werk über Ingmar Bergman und als Porträt einer bekannten Künstlerfamilie verstanden werden kann. Es stellt auch allgemein die Frage an den Leser, welche Erinnerungen an die Elterngeneration die Kinder besonders prägen.

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Drei Lieben, zwischen Mann und Frau, zwischen Eltern und Kind, zu einem ganz besonderen Ort, so vielfältig die Liebe sein kann, so vielfältig ist auch der Roman Die Unruhigen von Linn Ullmann. Die Tochter von Ingmar Bergman und Liv Ullmann führt nicht nur Retrospektive auf das Leben ihres berühmten Vaters, sondern beschreibt auch ihre eigene Kindheit, das Hin- und Hergerissensein zwischen zwei prominenten Eltern. Linn Ullmann ist die jüngste von neun Geschwistern, die Kinder Bergmans haben sechs verschiedene Mütter. Der Kunst verschrieben, den Frauen zugetan lebt Bergmann ein Leben voller Gegensätze, Religiosität im Widerstreit mit Sexualität, starre eigenwillige Regeln gegenüber markanten Inszenierungen. Am Ende seines Lebens als die Gegenstände und Wort in der Erinnerung immer weniger werden, führt Linn Ullmann in einigen Sitzungen Interviews mit dem alten Mann. Lange Jahre vergehen, ehe sie die Tonbandprotokolle nach dem Tod des Vaters aufarbeiten kann. Bruchstückhaft, episodenhaft und sprunghaft bietet die norwegische Autorin Einblicke in das Leben des Meisters Bergman, in ihr eigenes und das ihrer Mutter. Altern sei Arbeit, behauptet Bergman, ein ständiges Bemühen, den Körper dem Willen zu folgen zu lassen. Beflissen bis störrisch, verwirrt bis ungemein klar in den Aussagen schreibt Ullmann verhalten zärtlich über den Vater. Die Unruhigen ist eine sehr persönliche Biografie, die Zerrissenheit des jungen Ichs der Autorin, das Mädchen, wie sie selbst über sich schreibt genauso wie die Liebe und Trauer der erwachsenen Autorin mit jedem Wort spürbar. Erinnerungen, Vergangenheit und Gegenwart wechseln nicht nur zeitlich, sondern auch im Tonfall und sprachlicher Struktur. Lesens- und empfehlenswert!

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