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Rezensionen zu
Der Biograf von Brooklyn

Boris Fishman

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Er hat seine jüdische und osteuropäische Herkunft in die entlegensten Bereiche seines Bewusstseins verbannt. Die Familie, die ihn an diese erinnern könnte, besucht er nur noch selten. New York bietet bekanntlich reichlich Platz, um die Distanz zwischen zwei Menschen zu vergrößern. Der Journalist Slava Gelman will leben wie ein Amerikaner, schreiben wie ein Amerikaner. Doch dann stirbt seine geliebte Großmutter Sofia und ein Brief der Konferenz für jüdische Schadenersatzansprüche gegen Deutschland bringt Turbulenzen in sein eher beschauliches Dasein, das Boris Fishman in seinem Debütroman “Der Biograf von Brooklyn” erzählt. Der Großvater bittet seinen Enkel, seine Biografie in einem Brief an die Konferenz “aufzuhübschen”. Schließlich ist Slava ein Schreiber. Doch keiner aus der Familie weiß, dass er noch auf seinen Durchbruch als Journalist bei der Zeitschrift “Century” wartet. Seine kreative Arbeit besteht nur aus dem Füllen der Humor-Spalte und der Suche nach witzigen Schlagzeilen aus der lokalen Presse. Doch der junge Mann stellt sich seiner Aufgabe, ahnt jedoch nicht, dass damit die Probleme vorprogrammiert sind und er eine Lawine losgetreten hat. Denn nach und nach melden sich Familien, die ebenfalls seine Hilfe als “Biograf” und Ghostwriter in Anspruch nehmen, um Schadenersatz einzufordern. Sein nebenberufliches Schreiben hält er vor seiner neuen Freundin Arianna, mit der er in der Redaktion arbeitet, verborgen. Auch die Wiederbegegnungen mit der ansehnlichen Vera Rudinsky, mit der er als Kind gespielt hat und deren Familie zur selben Zeit ausgewandert war, verheimlicht er. Dieses Geschehen trägt auf den ersten Blick recht komische Züge. Doch der Roman des Amerikaners beinhaltet eine sehr melancholische Komponente. Beide Besonderheiten bringt Fishman auf eindrucksvolle, warmherzig-menschliche und damit berührende Weise zusammen. Denn der Autor weiß, wovon er erzählt. Er selbst stammt aus der Sowjetunion und war wie sein Held Slava als Kind in die USA gekommen. New York ist seine Heimatstadt, das Schreiben – unter anderem für renommierte Titel wie “The Guardian”, “The Wall Street Journal” und “The New York Times Book Review”- sein Beruf. Zwei gewichtige Themen verarbeitet Fishman in seinem Erstling. In den Lebensgeschichten von Slavas Großeltern schildert er das Grauen des Holocaust und dessen Grundlage: der Antisemitismus, der mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Zusammenbruch des Dritten Reiches noch längst nicht Geschichte war. Vielmehr bekommen Sofia, die ihre Eltern im Minsker Ghetto verloren hat, sowie ihr späterer Mann Zhenya Gelman die schrecklichen Auswüchse der Judenfeindlichkeit in ihrer Heimat zu spüren, so dass sie sich schließlich entscheiden, gemeinsam mit der Familie ihrer Tochter Tanya Minsk zu verlassen. Drei Generationen wandern über Österreich und Italien in die USA aus. Amerika als Land der Hoffnungen, Brooklyn, der von Osteuropäern geprägte Bezirk, die Frage nach der Identität bilden das zweite große ernste Thema des Romans, das sich in der Person Slavas auch widerspiegelt. Er scheint zerrissen – seine osteuropäische Herkunft auf der einen Seite, seine neue Heimat auf der anderen Seite. Brooklyn hat er den Rücken gekehrt. Erst mit dem Schreiben der Briefe beginnt eine Auseinandersetzung mit den eigenen Wurzeln. Und nicht nur diese. Nach und nach erfährt er die Geschichten seiner Großeltern, das Leid, das sie beide erfahren haben. Denn in all den vergangenen Jahren weigerte sich Sofia, über die schrecklichen Erlebnisse zu erzählen, fragte der Enkel auch nicht danach. Als Stummheit zwischen den Generationen könnte man dieses fehlende Puzzle einer doch engen Beziehung zwischen Slava und Sofia bezeichnen. Eine Erscheinung, die sicherlich weit verbreitet war und noch immer ist. Dabei gibt es keine Sprachbarrieren: Obwohl die Großeltern noch immer das Russische pflegen, das Englische trotz all der Jahre kaum beherrschen, spricht Slava beide Sprachen. Wie Fishman schließlich die Verbindung zwischen den verschiedenen Briefen und erdachten Lebensgeschichten gelingt, lässt staunen. In den Anträgen an die Konferenz für jüdische Schadenersatzansprüche, die in das erzählte Geschehen eingebettet und in der Ich-Perspektive verfasst sind, schreibt Slava die Geschichte seiner Großmutter weiter. Das Schreiben wird zu einer Form der Erinnerung, zum Ausdruck der Zuneigung. Ein Klient hat es den Journalisten besonders angetan: Israel, ein Bekannter seines Großvaters, der ihm wertvolle Hinweise für das Schreiben gibt und ein einsames Leben führt. All das nimmt ein Ende, als ein Vertreter der Konferenz plötzlich auftaucht und Slava es mit der Angst zu tun bekommt, er Gewissensbisse hat und ihn Fragen nach der Moral seines Tuns quälen. Dabei muss er erkennen, dass er nicht der einzige Trickser ist. Sein Großvater hat als junger Mann keinen guten Ruf gehabt. Um sein Leben während des Krieges zu retten, hat er sich vor dem Dienst in der Armee gedrückt, später war er nach Usbekistan geflohen und heuerte als Funker ohne Funk-Kenntnisse auf einem Schiff an. Einige Stellen von “Der Biograf von Brooklyn” liest man mit einem Dauerschmunzeln. Gerade die schrulligen Charaktere und die Szenen in der Redaktion mit ihrem Nachwuchs-Gehege aus Jungredakteuren erheitern ungemein. Beklemmung und Nachdenklichkeit entstehen indes, wenn über die entsetzlichen Erlebnisse der Großeltern berichtet wird und die Heimatlosigkeit der russischen Einwanderer thematisiert wird. Auch sie haben Unmenschlichkeit erfahren, das sich allerdings nicht nach den Grundsätzen der Konferenz der jüdischen Schadenersatzansprüche in Geld “ummünzen” lässt. Welches Leid ist das größere – jenes im Ghetto oder das an der Front. Eine Frage, die im Roman gestellt wird. Gefühlsmäßig fährt der Leser mit diesen Kontrasten zwischen komischen und sehr stillen Momenten Achterbahn. Eine Leseerfahrung, die den Stempel “eindrucksvoll” tragen kann. Im März erscheint der zweite Roman des Amerikaners mit dem Titel “Don’t let my baby do rodeo” bei HarperCollins. Erneut haben seine Helden osteuropäische Wurzeln. Und darüber gibt es eine Menge zu erzählen.

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Skurril, merkwürdig, nicht wirklich koscher und ganz und gar vergnüglich kommt diese Geschichte daher. Die Figuren haben viele Facetten, trauern teils der Vergangenheit nach - auch dann, wenn sie in New York aufwuchsen. Man gewinnt den Eindruck: gerade dadurch trauert man der Vergangenheit der Vorfahren erst recht nach. Boris Fishman weiß, wovon er schreibt: In Russland geboren und in die USA ausgewandert, lebt und arbeitet er seit Jahren als Journalist in der Metropole am Hudson. Der Autor schreibt über Schein und sein lockerflockig, witzig und manchmal wirken seine Figuren tragikomisch - im Prinzip passend zur Hauptfigur, der sich im Roman zum Biografen der russisch-jüdischen Immigranten mausert. Denn eigentlich will der angehende Schriftsteller nur eins: mehr von der Stadt und dem Land an sich sehen, viel Geld verdienen und weg von der Familie. Fishman schreibt rührend und komisch zugleich, die Geschichte ist in sich schlüssig, wunderbar verfasst und ich wünsche mir, mehr von diesem Autor demnächst lesen zu dürfen :-)

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<em>Ist es ein Schelmenroman? Oder vielleicht ein Sittengemälde über das New York des 21. Jahrhunderts? Oder vielleicht doch eine Neuinterpretation des American Dream? All das mag man in Boris Fishmans Debüt auf der großen literarischen Bühne hineininterpretieren. Doch im Grunde macht er nur eines: eine mit Komik und skurrilen Situationen gespickte Geschichte mit einem Schuss Realität zu garnieren, sodass der Leser nur ungern das Wort ENDE am Schluss liest.</em> <strong>Wie aus einem Loser ein Betrüger wird</strong> Eigentlich ist Slava Gelman ein kompletter Loser: Trotz aller Bemühungen schafft er es nicht, aus dem Nachwuchs-Pool der Zeitschrift Century in den erlesenen Kreis der Stammautoren aufzusteigen. Und auch der Kontakt zur Familie im jüdisch geprägten Teil Brooklyns beschränkt sich auf ein Minimum, sodass Slava Gelman auch keine allzu erfüllte Freizeit hat. Das ändert sich erst, als seine Großmutter Sofia stirbt. Bedauerlicherweise hat just ein paar Tage zuvor die Konferenz für jüdische Schadensersatzansprüche gegen Deutschland die Familie angeschrieben. Die Kommission will herausfinden, ob Sofia möglicherweise eine Entschädigung für die Zeit des Nationalsozialismus zusteht. Und weil der Enkel ja schließlich so etwas wie ein Schriftsteller ist, bittet Slavas Großvater ihn darum, die Geschichte der jüdischen Familie aufzuschreiben, um eine Entschädigung zu erhalten. Slavas Brief ist zwar herzzerreißend und erregt Mitleid, entspricht aber in keiner Weise den Tatsachen. In den folgenden Tagen kann sich Slava vor Anfragen aus der Bekanntschaft - allesamt russische Juden - nicht mehr retten. Doch dann droht der Schwindel aufzufliegen. Slava entschließt sich zu einer Lüge, welche die vorherigen Unwahrheiten relativiert, jedoch sein Leben aus den Fugen geraten lässt. <strong>Ein Feuerwerk an skurrilen Situationen</strong> Boris Fishman gibt in seinem ersten Roman einen facettenreichen Einblick in den von russischstämmigen Juden geprägten New Yorker Stadtteil Brooklyn. Dabei bedient der Autor auch so manche klischeehafte Vorstellung, jedoch stets mit einem Augenzwinkern. Damit wird das Lesen über die kleinen Tricksereien, die das Leben etwas einfacher machen, zu einem Vergnügen. Der Leser erhält so einen heiter-leichten Zugang zu einem dunklen Kapitel der jüngeren Geschichte. <strong>Fazit</strong> Mit „Der Biograf von Brooklyn“ präsentiert der Autor das zentrale Thema, die Verfolgung der Juden durch Nazis und Stalinisten, aus einem gänzlich anderen Blickwinkel als die meisten Autoren. Dass er trotzdem authentisch bleibt, verdankt er der eigenen Biographie: Boris Fishman wurde in Minsk geboren und kam als Neunjähriger in die USA. Insgesamt ist das Werk eine der wohl interessantesten Neuerscheinungen zu diesem sensiblen Thema. Der Autor Harry Pfliegl schreibt im Autorenpool von Detlef M. Plaisier [Der Mann für den Text] Leipzig.

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