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Rezensionen zu
Das Buch der vergessenen Artisten

Vera Buck

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€ 12,00 [D] inkl. MwSt. | € 12,40 [A] | CHF 17,50* (* empf. VK-Preis)

Liebe in dunklen Zeiten

Von: Henriette Kittl

11.10.2018

In diesem Buch taucht man ein in die phantastische Glitzerwelt der Jahrmärkte, Völkerschauen und Sensationsdarbietungen des vergangenen Jahrhunderts. Mit all den „Kraftwundern“, anrüchigen Frauenzimmern und technischen Neuerungen, wie einen Röngtenapparat, der noch sorglos gehandhabt wird, könnte es eine Ansammlung von skurrilen Geschichten sein. Vera Buck jedoch gelingt es hinter dem vordergründigen Liebesdrama zwischen Meta, der Männer bekämpfenden Kraftfrau und Mathis, dem Röngtenapparatkünstler in die Abgründe des Hitlerregimes einzutauchen. Das Buch ist ausgezeichnet recherchiert und gibt vergessenen Künstlern und Sensationen wieder Gesicht und Namen, auch wenn man wie auf dem Jahrmarkt üblich nicht ganz sicher sein kann, welche Teile der Wahrheit entsprechen und welche etwas geflunkert sind. Nach dem Motto, es ist nicht wichtig, dass eine Geschichte wahr ist, wenn sie gut erzählt wird.

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In einer Wohnwagensiedlung am Rand von Berlin leben 1935 die Kraftfrau Meta und ihr Partner, der Röntgenkünstler Mathis, inmitten anderer ehemaliger Artisten. Fast alle haben inzwischen Auftrittsverbot. Meta und Mathis kennen sich seit über 30 Jahren und haben immer wieder versucht, den Sprung über den großen Teich nach Amerika zu schaffen, doch jedes Mal ist etwas dazwischen gekommen. Auch jetzt geht die Angst um, denn seit ihnen Blut für „Untersuchungen zu Züchtungskreisen von Zigeunermischlingen und anderen asozialen Psychopathen“ abgenommen wurde, verschwinden immer mehr Bewohner. Mathis ist der Einzige, der auf seine ganz eigene Art rebelliert, indem er die Geschichten aller Artisten aufschreibt, die er noch befragen kann. „Aber wir können doch nicht einfach nur dasitzen und wegsehen.“ (S. 54) Doch Meta hat Angst, dass ihnen dieses Buch irgendwann zum Verhängnis wird, da auch ihre eigenen Geheimnisse darin stehen. Vera Buck hat in ihrem Buch ein Thema gewählt, dass mir bis dato relativ unbekannt war. Zwar wusste ich, dass die Nationalsozialisten versucht haben, sich aller „minderwertiger“ Menschen zu entledigen, aber mir war nicht klar, dass auch Artisten und Schausteller in diese Sparte fielen, egal welcher Abstammung sie waren. In einer zweiten Zeitebene erzählt sie Mathis Werdegang und die Geschichten seiner Weggefährten. Er ist der dreizehnte Sohn eines Bohnenbauern, hat ein durch Kinderlähmung verkrüppeltes Bein und war zu Hause und in seinem Dorf der Prügelknabe. Er hat keine Träume, bis er auf dem Jahrmarkt einen Röntgenapparat und dessen Besitzer entdeckt: „Es war, als öffnete der Apparat ein Fenster, durch das er in ein zweites Universum blicken konnte. Eines, in dem nichts verschlossen blieb, keine Tür und kein Körper.“ (S. 68) Erst als „Röntgen-Assistent“ blüht er auf, fühlt sich endlich als ganzer Mensch und nicht mehr als Krüppel. Dass die Röntgenstrahlen fatale Nebenwirkungen haben, wird ihm erst spät klar. Meta war ein Waisenkind, die sich schon früh ihr Haut erwehren und um ihren geistig behinderten Bruder Ernsti kümmern musste. Dabei hat sie unglaubliche Kräfte entwickelt. Wenn sie nicht gerade trainiert oder auftritt, dreht sich ihr Leben fast ausschließlich Ernsti. Dessen Bedürfnisse stehen immer an erster Stelle, ihre oder Mathis an zweiter. Die Autorin lässt einerseits eine sehr skurrile, bunte Welt lebendig werden, in der Röntgenapparate der Unterhaltung dienen, sich Artisten mit Kanonenkugeln beschießen lassen und Menschen fremder Kulturen oder Kleinwüchsige wie Vieh ausgestellt werden. Aber sie zeigt auch, dass die Künstler zusammenhalten, erst Recht, nachdem die Nazis an die Macht kommen. Vera Buck beschönigt nichts. Sie erzählt was passiert, wenn die Menschen doch aufgegriffen werden, in Lager verbracht, zwangssterilisiert oder mit Medikamenten ruhig gestellt. Schonungslos beschreibt sie die Gewaltorgien bei den Festnahmen und Verhören, die Machtdemonstrationen der Überlegenen. Das Buch hat mich sehr berührt, gefesselt, erschüttert und aufgewühlt. Ich habe die 750 Seiten innerhalb von zwei nur Tagen gelesen. Es ist wichtig, dass immer wieder darauf hingewiesen wird, was damals alles passiert ist, denn: „Ohne Geschichte gibt es keine Zukunft. ... Wenn wir die Vergangenheit vergessen, sind wir gezwungen, sie zu wiederholen. Und dann ist alles umsonst passiert.“ (S. 185)

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Berlin, 1935: Die Mittvierziger Mathis und Meta leben mit Metas Bruder Ernsti gemeinsam in einer Wohnwagensiedlung einiger Artisten. Hitler ist an der Macht und seine Rassengesetze erschweren den Artisten die Arbeit. Die wenigsten von ihnen dürfen überhaupt noch einer Tätigkeit nachgehen und viele sind bereits einfach verschwunden. Manche sind geflohen, andere wurden von der Polizei abgeholt und nie wiedergesehen. Als dieses Schicksal auch Metas geistig behindertem Bruder zustößt, will diese nicht einfach tatenlos zusehen. Und Mathis wäre nicht Mathis, wenn er seiner Freundin nicht helfen würde. Dabei würde er viel lieber an seinem geheimen Buch über die vergessenen Artisten, jene an deren Namen sich niemand mehr erinnert, weiterschreiben … Vera Buck ist ein besonderer Roman gelungen. Auf gut 750 Seiten lässt sie in zwei zeitlich abgegrenzten Abschnitten die Welt der Artisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts und zur Zeit Hitlers lebendig werden. Der erste Handlungsstrang findet 1902 statt und begleitet den 15-jährigen Mathis auf seinem Weg von einem langweiligen Dörfchen und seinem Dasein als Bohnenbauerssohn hin zu einer Karriere auf der Straße. Er schließt sich einem Mann an, der mit einer sonderbaren Maschine durch die Lande zieht. Mit ihr kann man die Menschen wie durch Geisterhand durchleuchten und ihre Knochen sehen. Mathis verliebt sich sofort in die Maschine. Als er zwei Jahre später auf Meta trifft, verfällt er auch der muskulösen und selbstbewussten Kraftfrau. Der zweite Handlungsstrang setzt 1935 an, als Mathis an einer seltsamen Krankheit erkrankt ist und bereits mehrere Finger seiner Hand verloren hat. An Metas Seite steht er noch immer, auch wenn ihr geistig behinderter Bruder Ernsti ihm zweifellos das Leben schwer macht. Das Leben als Artisten ist allerdings noch härter geworden als 1902 und so beschließt Mathis, ein Buch über all jene zu schreiben, die bereits verschwunden sind und drohen, in Vergessenheit zu geraten. Trotz all seiner Länge wird der Roman selten langweilig. Die Autorin springt geschickt zwischen den beiden Handlungssträngen hin und her und versteht sich – leider, muss man sagen – sehr gut darauf, immer im spannendsten Moment das Kapitel zu wechseln. So möchte man immer gerne weiterlesen und erfahren, was im Anschluss passiert. Ihre Figuren hält Vera Buck sehr lebendig. Selbst bei den zahlreichen Nebencharakteren hat man oft das Gefühl, dass man sie auf wenigen Seiten sehr gut kennenlernt. Und wer hätte gedacht, dass in einem Buch über Menschen, die unter Hitlers Tyrannei litten, auch Humor eine so wichtige Rolle spielen würde? Ja, „Das Buch der vergessenen Artisten“ hat auch vielfach sympathischen Humor und sei es nur in der Verzweiflung von Mathis gegenüber dem unbelehrbaren Ernsti, der regelmäßig Sachen von Mathis zerstört, von seiner Schwester Meta aber stets in Schutz genommen wird. Vera Buck wendet sich einem Thema zu, das noch nicht allzu oft in der unterhaltsamen Literatur seinen Platz gefunden hat. Sie wirft einen Blick auf die kleinen Leute, weniger auf bekannte und namhafte Künstler, die natürlich ebenfalls unter dem Hitler-Regime zu leiden hatten. Ihr kommt es darauf an, auch die Situation der Normalbürger zu schildern. Jene, die viel Aufwand betreiben mussten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Eben die kleinen Künstler und Artisten. Sie erhalten in „Das Buch der vergessenen Artisten“ eine Stimme und ihre meist ausweglose Situation wird greifbar. Am Ende möchte man den Roman kaum aus der Hand legen. Ein ganz besonderer Roman über ein wichtiges Thema, talentiert in Szene gesetzt und trotz seiner Dicke nicht einen Moment langweilig!

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Mathis ist fasziniert von dem Jahrmarkt, der mit all seinen Artisten und Attraktionen durch sein kleines verschlafenes Dorf zieht. Besonders angetan hat es ihm ein Mann mit einer Maschine, mit der man das Innerste aller Gegenstände und Lebewesen sehen kann, die man dahinter plaziert. Da er ein lahmes Bein hat und von seinen Brüdern täglich geschlagen wird, beschließt Mathis kurzerhand, den Artisten und dem Besitzer der Maschine zu folgen und dessen Assistent zu werden. Anfang der 30er Jahre ist Deutschland ein Land voller Veränderungen, die auch nicht vor den Artisten halt machen. Immer mehr erhalten von der nationalsozalistischen Regierung Berufsverbote, verschwinden auf wundersame Weise oder werden geholt. Zu dieser Zeit beschließt Mathis, der schließlich in Berlin gelandet ist, ein Buch über all diese Artisten zu schreiben, die verschwinden und langsam in Vergessenheit geraten. Doch dabei trifft er nicht immer auf Zustimmung und Unterstützung. Mit dem Laufe der Zeit enthält sein Buch einige wichtige Informationen über Untergrundorganisationen für Artisten, deren Enthüllung sowohl für Mathis als auch für alle anderen Artisten in diesen dunklen Zeiten drastische Maßnahmen haben würde... Auf "Das Buch der vergessenen Artisten" bin ich vor allem aufgrund des Namens Vera Buck aufmerksam geworden. Buck ist auch die Autorin des Buches "Runa", was mich damals wirklich sehr begeistern konnte. Deshalb war ich auch so neugierig auf ihr neues Werk und bin mehr als froh, ein Auge auf dieses Buch geworfen zu haben. Mathis ist ein Charakter, den ich zu Anfang des Buches nicht so recht verstehen konnte, aber in Laufe der Geschichte immer mehr gemocht habe. Das Buch berichtet gleichzeitig sowohl von der Zeit, als Mathis sein Zuhause verlassen hat, als auch davon, wie Mathis schon im Berlin der Nationalsozialisten lebt. Den "jüngeren" Mathis konnte ich meist ein wenig mehr verstehen als den "älteren", vor allem da der erwachsenere und ältere Mathis sich etwas von seiner Lebensgefährtin Meta unterdrücken ließ. Viele Situationen zwischen den beiden habe ich nicht verstanden aber das hat mich nicht daran gehindert, Mathis in mein Herz zu schließen. Mit dem Schreibstil von Vera Buck werden in "Das Buch der vergessenen Artisten" gleich zwei Zeitgeister geweckt und die Bevölkerung von damals unglaublich gut porträtiert: Einmal zu Beginn des 19. Jahrhunderts, dann zur "Machtergreifung" Hitlers und die folgenden Jahre. Hinter der Geschichte muss so viel Recherche stecken, denn anders könnte ich mir die Entstehung des Gefühls, dass dabei vermittelt wird, nicht vorstellen. Es war bei "Runa" genauso wie bei "Das Buch der vergessenen Artisten": Wenn man ein Buch von Vera Buck in die Hand nimmt ließt man die Geschichte nicht nur, man verfällt ihr, begeistert sich dafür und ist mehr als nur traurig, wenn sie dann letztendlich vorbei ist. Die Intensität und Einmaligkeit der Geschichte sind wirklich zauberhaft und suchen ihresgleichen in dieser Welt voller unglaublich guter Bücher! Eine absolute Empfehlung für alle, die auf der Suche nach einer richtigen Geschichte sind, die einen abholt und mitreißt und nicht mehr loslässt! Meine Empfehlung: 5/5 Dieser Beitrag enstand in Zusammenarbeit mit dem Limes-Verlag und enthält Werbung für "Das Buch der vergessenen Artisten" von Vera Buck. Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

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Buch und Kunst im Klosterhof

Von: Inge Leibold aus Münsterschwarzach

07.06.2018

Großartig. Mich hat das Buch ab der ersten Seite gefesselt. Ich konnte in die Geschichte eintauchen und mit den Hautpersonen Mathis und Meta lachen, weinen und kämpfen. Sehr lesenswert!!!

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