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Rezensionen zu
Das Tal der Blumen

Niviaq Korneliussen

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€ 24,00 [D] inkl. MwSt. | € 24,70 [A] | CHF 33,50* (* empf. VK-Preis)

„Das Tal der Blumen“ von Niviaq Korneliussen ist ein tiefgründiger und emotional intensiver Roman, der in die raue, triste, aber auch faszinierende Welt Grönlands entführt. Im Mittelpunkt steht eine junge Grönländerin, die sich mit Themen wie Identität, Liebe, Verlust und den sozialen sowie kulturellen Herausforderungen einer postkolonialen Gesellschaft auseinandersetzt. Der Roman ist strukturiert durch die Erwähnung von Suiziden, beginnend mit der Zahl 45, was der Anzahl der Selbstmorde in Grönland pro Jahr entspricht. Dieses wiederkehrende Element unterstreicht die tragische Realität in Grönland und ist ein zentrales Thema des Buches. Die Erzählung vermittelt dabei eindrucksvoll, wie jede*r in der kleinen Gemeinschaft von diesen tragischen Ereignissen betroffen sein kann. Die Protagonistin des Romans hat wenig Selbstwert, ist phasenweise extrem ambivalent, wirkt kühl, kämpft mit Selbstzweifeln und Homophobie in der Gesellschaft und sieht sich mit dem Rassismus in Dänemark konfrontiert, als sie dorthin zieht, um zu studieren. Ihre Beziehung zu ihrer großen Liebe Maliina bietet einen Kontrast zu den dunkleren Aspekten ihres Lebens. Sie ist DER Lichtblick, doch auch diese Beziehung ist von Herausforderungen geprägt: sie manipuliert diese Beziehung mit Maliina regelmäßig und dann insbesondere als Maliina selbst einen schweren Schicksalsschlag erlebt. Der Schreibstil ist ungeschönt, schnörkellos, wechselt zwischen Zärtlichkeit und Vulgarität, ist phasenweise auch sehr deprimierend. Dies spiegelt für mich auch die innere Zerrissenheit und Komplexität der Protagonistin wider. Der Roman bietet auch einen kritischen Blick auf die Folgen des Kolonialismus und die soziale Ungleichheit in Grönland, was bspw. die Therapiemöglichkeiten bietet bzw. die Möglichkeit junge Menschen von Suiziden abzuhalten. Die schönen Beschreibungen der Landschaft jedoch, bieten an vielen Stellen den Kontrast zu dem gefühlt, tristen Leben. Insgesamt ist „Das Tal der Blumen“ ein bewegendes Werk, das mich berührt und einen Einblick in die grönländische Gesellschaft geboten hat. Es fühlt sich so an, wie eine Liebeserklärung an Grönland und seine Menschen, vermischt mit bitterer Ironie und oftmals schlimmerer Realität; nämlich die einer Generation, die mit Perspektivenlosigkeit und vielen Herausforderungen konfrontiert ist. Der Hinweis im Buch, dass es keine tiefere Auseinandersetzung mit den Suiziden oder der Prävention gibt, hat mich nicht sonderlich erstaunt, wenn ich an die Parallelen zur Prävention von Femiziden denke. Auch wenn unsere Protagonistin in ihren Aussagen und Handlungen an einigen Stellen vielleicht „hysterisch“ oder überbordend daherkommt, kann ich mir durchaus vorstellen, dass es sich so im Inneren vieler jungen Menschen abspielt. In der Mitte des Romans hatte ich kurz das Gefühl, ich bekomme irgendwie keine Connection zur Hauptfigur, aber jetzt, nach Beendigung muss ich sagen, dass ich dieses Stilmittel als passend empfinde! #leseempfehlung denn das Buch hat mich sehr gut unterhalten!

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Zu Beginn steht die junge Ich-Erzählerin kurz davor, Grönland Richtung Dänemark zu verlassen, um mit ihrem Studium zu beginnen. Dafür muss sie ihre Partnerin Maliina zurücklassen, was sehr schmerzt, denn die beiden kennen sich erst seit wenigen Monaten und sind sehr verliebt. Doch sie will weg von ihrer Familie und will sich eine Zukunft aufbauen, fern von diesem Land, in dem es entweder rund um die Uhr dunkel oder hell ist, in dem Alkohlmissbrauch auf der Tagesordnung steht und der Bevölkerung Suizid als eine Art Kultur unterstellt wird. In Dänemark angekommen findet die junge Frau sich aber überhaupt nicht zurecht. Vom Rassissmus ihren dänischen Kommiliton:innen schnell zur Außenseiterin, zur vulgären und faulen Indigenen, gemacht, wird es zum Kampf Anschluss zu finde und das Studiensystem zu verstehen. „Mitten in der Vorlesung kommt er lautlos zu mir rüber, setzt sich neben mich und schaut auf meinen Mund. Dann schreibt er etwas auf ein Stück Papier. Bist Du das, die so nach Alkohol stinkt?, steht auf dem Zettel, den er mir hinhält.“ Die Sehnsucht nach Maliina tut ihr Übriges um aus der zwar schon fragilen, aber eigentlich lockeren Frau, die sich durchaus neugierig auf's Leben zeigt, eine in sich gekehrte Person zu machen. Von Anfang an machen die Notizen, welche die Kapitel abgrenzen, aber schon klar, dass sehr viel mehr hinter dieser Geschichte steckt, als eine queere coming-of-age Erzählung. Denn jede dieser Abgrenzungen verweist mit Geschlecht, Alter und Todesursache, auf eine Person, die Suizid begangen hat. Von 45 bis 1 zählt Niviaq Korneliussen diese Kapitel runter – soviele Selbsmorde gibt es durchschnittlich pro Jahr in Grönland und bei einer Bevölkerung von 56 000 kennt so jeder mindestens eine:n der Verstorbenen – so auch die beiden Protagonistinnen: Maliinas Cousine Gudrun erhängt sich mit siebzehn Jahren. Sie kehrt nach Grönland zurück um ihrer Partnerin zur Seite zu stehen. Die beiden beginnen Nachforschungen anzustellen und erfahren, dass es für Gudrun ebenso wenig Hilfe gab, wie für die Grönländer:innen allgemein: Die Hotlines machen Dienst nach Vorschrift, verweisen auf ihren Feierabend und andere Stellen, die vielleicht helfen können und in den Krankenhäusern werden psychische Erkrankungen nicht Ernst genommen, man versucht die hilfesuchenden Patienten schnell wieder loszuwerden. "Wir haben heute viele Patienten [...]. Ich würde vorschlagen, du erzählst das entweder jemandem, dem du vertraust, oder du fragst bei der Gemeinde nach, ob es dort einen Erwachsenen gibt, der dir helfen kann." In dieser Zeit und Umgebung zerbricht etwas in ihr und der zu Beginn des Romans derbe und grobe Ton wandelt sich in eine erzählerisch sehr dichte und atmosphärisch unheilvolle, düstere Diktion. Die Themen Identität und innerer Halt gewinnen an Bedeutung und ein Happy End wird Satz für Satz unmöglicher ... Ein heftiger und sehr lesenswerter Roman, der mich zwar anfänglich aufgrund der Grobheit der Sprache eher abgestoßen hat, sich dann aber beachtlich entwickelt hat! #leseempfehlung Ach ja - das Tal der Blumen ... Nun, so heißt einer der Friedhöfe in Ostgrönland. Ein Friedhof für die, die namenlos bleiben - nur Nummern stehen auf den Kreuzen - für die, die sich selbst getötet haben und auf deren Gräbern Plastikblumen liegen.

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Erschienen am 01.11.2023 beim btb Verlag und aus dem Dänischen übersetzt von Franziska Hüther. Der Roman erschien in der Originalsprache bereits 2020 und wurde 2021 mit dem Literaturpreis des nordischen Rates ausgezeichnet. Der Titel des Buches klingt erstmal so schön malerisch, jedoch handelt es sich bei dem Tal der Blumen um einen Friedhof. Denn wusstet ihr, dass Grönland eine der höchsten Selbstmordraten der Welt hat? Suizid ist dort die dritthäufigste Todesursache und betrifft vor allem junge Leute und Menschen in dörflichen Regionen. Der Roman hat drei Teile. Er ist in 45 Kapitel unterteilt, die jeweils mit einem Suizidfall überschrieben sind und abwärts zählen. Hier beschreibt die Autorin ziemlich genau, wie sich die Menschen suizidiert haben. Wahrscheinlich um die Fälle greifbarer zu machen, z. B.: „39. Frau, 25 Jahre. Erhängte sich in der Wohnung des Freundes“. Teil 1: Unsere namenlose Protagonistin wächst in Grönland in seltsamen Familienverhältnissen auf, führt eine Beziehung mit Maliina und will eigentlich nur raus. Sie bricht auf, um in Dänemark zu studieren. Hier findet sie leider keinen Anschluss bei ihren Kommiliton:innen und wird sogar von ihren Mitstudierenden diskriminiert Teil 2: Die Hauptprotagonistin reist zurück nach Ostgrönland, um Maliina zu unterstützen. Ihre Cousine hat sich umgebracht. Beide Frauen begeben sich auf Spurensuche nach dem Grund für diesen Suizid. Teil 3: Anschließend reist unsere namenlose Protagonistin zurück nach Dänemark an die Uni, wo sie selbst mit Suizidgedanken zu kämpfen hat. Der Roman ist tiefgründig und sehr politisch. Es geht unter anderem um Homophobie, Diskriminierung aber auch um generelle Probleme der Gesellschaft. Das Gesundheitssystem bietet für Menschen mit Suizidgedanken keine Hilfe. Sie werden nicht verstanden und von Ärzten weggeschickt. Die Autorin schafft es, uns in die Köpfe der Betroffenen reinzulassen. Leider bin ich dennoch nicht so richtig mit dem Buch warmgeworden. Die Protagonistin wirkte auf mich etwas unnahbar und deshalb konnte ich mich schlecht in sie hineinversetzen.   Ich würde den Roman nicht uneingeschränkt allen Leser:innen empfehlen, da die abgehandelten Themen aufwühlen können, halte ihn aber für lesenswert.

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Die 1990 geborene Niviaq Korneliussen erhielt als erste Grönländerin den Nordischen Literaturpreis. Das Tal der Blumen erzählt vom Leben in Grönland und vom Sterben in Grönland, denn die Insel hoch im Norden hat eine hohe Suizidquote, was Korneliussen in ihrem Roman ungeschönt benennt und beschreibt. Die junge Heldin, die noch bei ihrer Familie in der westgrönländischen Stadt Nuuk lebt, ist frisch verliebt in Maliina. Doch das Studium in Dänemark steht an und sie hadert damit, ihre Freundin zurückzulassen. Diese hat einen Job und eine eigene Wohnung. Sie selbst will auch unbedingt aus dem Elternhaus weg. Tatsächlich fühlt sie sich aber in Aarhus im Studentenwohnheim und an der Uni nicht richtig wohl. Sie fühlt sich wie eine Außenseiterin, zwischen den dänischen Kommilitonen, was diese mitunter, ohne es zu bemerken, mit verursachen. Sie tritt von Lerngruppen zurück, geht nur noch zu Vorlesungen und stellt schließlich auch das ein. Menschen, die ihr helfen wollen, lügt sie an. Und auch Maliina sagt sie nicht immer die Wahrheit, hat sogar eine Affäre. Die beiden wollen sich über die Weihnachtstage in Nuuk wiedersehen, doch als die Cousine von Maliina Suizid begeht, reist die Hauptfigur zu ihr in die ostgrönländische Stadt Tasiilaq, aus der Maliina stammt, um ihr beizustehen. Sie wird in der Familie herzlich aufgenommen. Der Ort mit seinen Bergen fasziniert sie und es zieht sie zum Friedhof, auf dem auch Gudrun begraben ist, das Tal der Blumen. Erschüttert darüber, dass dort nur namenlose Kreuze ohne Geburts- oder Sterbedatum, sondern mit Nummern stehen, beginnt sie zu recherchieren, wie viele Selbsttötungen es im Land gibt und welche Möglichkeiten die Kommunen zur Prävention anbieten. So erfährt sie auch, dass es bereits zwei Suizidversuche Gudruns vorab gab. „Grönland ist todgeweiht, und wir sind rechtzeitig abgehauen, du hast überlebt, wir haben überlebt“, sagt sie. „Es ist der Lauf der Natur, ein Volk aussterben zu lassen, das auf dieser Erde nicht zurechtkommt, survival of the fittest, wie es so schön heißt, und du hast überlebt. Du bist eine Überlebenskämpferin, du bist stark, nicht du bist es, mit der etwas nicht stimmt, bei den anderen stimmt etwas nicht.“ Sehr gut klingt durch, wie wenig Hilfe es gerade auch für junge Leute dort gibt. Beratungsstellen und Therapieplätze sind rar und mit langen Wartezeiten verbunden. Alkohol ist ebenso ein Thema, wie Missbrauch und Gewalt. Die lange Dunkelheit abwechselnd mit der Zeit der ständigen Helligkeit scheint zu Depressionen und psychischen Problemen beizutragen. Es wird geschildert, wie hoffnungslos Jugendliche ihre Zukunft empfinden und wie wenige es schaffen ein zufriedenes Leben zu führen. Auch die Hauptfigur schwankt und strauchelt, zweifelt an der Partnerin, an ihrer Liebe und vor allem an sich selbst. Auch in ihrer eigenen Familiengeschichte gab es Verluste, die sie prägten. Weil sie sich nicht gut genug fühlt, trennt sie sich von ihrer Partnerin von heute auf morgen und fliegt zurück nach Dänemark. Doch dort gibt es gar keinen Halt, sie wird zur Obdachlosen und stürzt immer tiefer ab. Gut, dass die Autorin das Ende offen lässt … Sprachlich empfinde ich den Roman wenig spektakulär. Im Gegenteil war mir manches eher zu derb und zu grob, besonders was die Körperlichkeit anging. Und doch gab es auch kurze Sequenzen, die poetisch und feinsinnig waren. Es war dann aber eindeutig die inhaltliche Thematik und die ferne Welt im Norden (die Landkarte lag immer neben mir), die mich vom Buch überzeugt hat. Ich habe einiges mehr über Grönland erfahren.

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Ich finde das Cover und den Titel wunderschön. Beides steht im krassen Gegensatz zum Inhalt und ist deswegen passend. In „Das Tal der Blumen“ steckt eine stark erzählte Geschichte und für mich eine ungewöhnliche und emotionale Überraschung. Denn das Tal der Blumen ist ein Friedhof auf Ostgrönland, einem Land mit einer immens hohen Selbstmordrate. Dort werden die Gräber mit bunten Plastikblumen geschmückt, die durch die langen Winter und die harten Witterung schnell dem Verfall anheim fallen. Es ist kein schöner Ort, kein idyllischer Ort. Das Leben von Korneliussens Ich-Erzählerin ist ebenfalls nicht schön und nicht idyllisch. Die Stimmung in ihrer jungen Generation ist depressiv und mit wenig Perspektive, einige ihrer Freund*innen haben bereits Suizid begangen. Ein Studium in Dänemark soll ihr neue Möglichkeiten eröffnen, obwohl ihr die räumliche Trennung von ihrer Freundin Maliina schwerfallen wird. Die Liebesbeziehung zwischen den beiden Frauen ist intensiv und zärtlich. Dänemark wird zur Katastrophe, die Erzählerin wird von Mitstudierenden als Grönländerin exotisiert und findet keinen Anschluss. Das Studiensystem versteht sie nicht und sie hat keine Kontrolle. Als Maliinas junge Cousine Selbstmord begeht, nutzt sie die Chance, zu ihrer Freundin zurückzukehren und sucht im Tal der Blumen nach Antworten. Warum sind so viele Menschen in ihrem Umfeld verzweifelt? Warum gibt es so wenig Hilfsangebote? Warum fühlt sie sich selbst so unzureichend und voller Schuldgefühle? Korneliussen hat mit “Das Tal der Blumen” einen sehr intensiven Roman aus der subjektiven Sicht ihrer Erzählerin geschrieben, und doch ist es auch ein politisches Buch. Ihre Erzählerin ist die Stimme einer ganzen Generation, ihre Probleme sind strukturell. Es ist ein lauter, verzweifelter Schrei nach Hilfe und Aufmerksamkeit, der in seiner poetischen und gleichzeitig rohen Sprache eine unglaubliche Dringlichkeit ausstrahlt. Korneliussen kontrastiert den großen Wunsch nach Schönheit, Liebe und Leben mit den realen und wenig schönen Details des Lebens. Das Tal der Blumen ist das perfekte Symbolbild für diesen Gegensatz. Das war für mich großartige, vielschichtige und emotionale Literatur! »Du darfst dir niemals von irgendwem sagen lassen, dass du nicht in diese Welt gehörst!«

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Für die Ich-Erzählerin in „Das Tal der Blumen“ steht eine große Veränderung an: In Kürze wird sie Grönland verlassen, um in Dänemark zu studieren. Sie geht mit gemischten Gefühlen, vor allem, weil sie doch gerade mit Maliina eine Beziehung aufgebaut hat, sich geöffnet, ihre Gefühle zum Ausdruck gebracht hat, was ihr nicht leicht fiel. In Dänemark fällt es ihr schließlich schwer, Fuß zu fassen, Grönländer:innen werden hier misstrauisch beäugt, zumindest herrscht Konsens, dass sie „anders“ sind. Schon zu Beginn des Romans macht Niviaq Korneliussen deutlich, dass das hier keine einfache Coming-of-Age-Geschichte ist: Jedem Kapitel steht eine kurze Aufzählung vor: Alter und Geschlecht eines Menschen – und die Art und Weise, wie sie/er sich das Leben genommen hat. In Grönland, so erfahren wir, ist die Suizidrate besonders hoch, was auch (aber nicht nur) mit dem fehlenden Licht, den sehr langen Wintern dort zu tun hat. Der Roman biegt schließlich ab, als Maliinas Cousine sich zu Hause in Grönland das Leben nimmt und die Ich-Erzählerin beschließt, ihrer Freundin beizustehen. So reist sie in die Heimat und beide versuchen verzweifelt, herauszufinden, wie es zu diesem neuen Suizid kommen konnte. Schließlich hat „Das Tal der Blumen“, übrigens die Bezeichnung eines Friedhofs mit namenlosen Gräbern, noch einen dritten Teil, der sich erneut von den beiden anderen unterscheidet. Mir hat gut gefallen, dass Korneliussens Protagonistin sehr direkt aus ihrem Leben erzählt, hier wird kein Blatt vor den Mund genommen, zum Beispiel die körperliche Seite ihrer Beziehung betreffend. Das mag kurz gewöhnungsbedürftig sein, ist aber auch erfrischend. Der Autorin gelingt es außerdem sehr gut, die etwas merkwürdig anmutenden Familienverhältnisse ihrer Heldin auszuleuchten, denn ihre Eltern benehmen sich zuweilen durchaus etwas seltsam ihrer Tochter gegenüber. Nach und nach wird der Roman immer mehr zu einem Psychogramm der Protagonistin, vor allem im letzten Teil, über den ich aber nicht mehr verraten möchte. „Das Tal der Blumen“ beschäftigt sich mit einem wichtigen, einem sehr ernsten, erschütternden Thema: den so häufigen Suiziden in Grönland, den Umgang damit, auch von staatlicher Seite. Letztlich ging das Romankonstrukt für mich nicht komplett auf, fehlte mir ein wenig die Konsequenz vor allem auf der Plotebene, obwohl ich auf der anderen Seite erkenne, dass eine Geschichte wie diese keinen Regeln folgen muss – im Gegenteil. So kann ich nicht ganz genau sagen, weshalb „Das Tal der Blumen“ bei mir nicht ganz einschlagen konnte. In jedem Fall ist es ein wichtiger, lesenswerter Roman.

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Sie hat das ganze Leben noch vor sich. Vermeintlich. Sie ist gerade im Begriff, sich von ihrer Familie abzunabeln, zum Studium nach Dänemark zu gehen und ihrer Heimat Grönland ein Stück weit den Rücken zu kehren. In dieser Zeit des Umbruchs tritt Maliina ihr Leben, und eine zarte Liebe erblüht, die sie zunächst nicht wirklich wahrhaben will, scheint ihr so viel Glück doch zu viel des Guten zu sein. Doch die Beiden raufen sich zusammen, gestehen sich ehrlich und direkt ihre Gefühl füreinander, gehen eine Beziehung ein, auch auf die Gefahr hin, an der großen Distanz zwischen Grönland und Dänemark zu scheitern. Im fernen Europa gelingt es ihr nur mühevoll, Anschluss zu finden, scheinen Grönländer*innen doch hier einen Exot*innenstatus zu genießen. Eine Hiobsbotschaft erreicht sie: Maliinas Cousine nimmt sich das Leben, ein weiterer Suizid in ihrer unmittelbaren Umgebung. Um ihrer Freundin zur Seite zu stehen, reist sie in die Heimat und besucht dort auch das „Tal der Blumen“, einen Friedhof für namenlos bleibende Tote, die selbst für die Beendigung ihres Lebens gesorgt haben. In ihr beginnt, etwas aufzubrechen und schließlich zu zerbrechen... „Du warst eine tickende Zeitbombe. Alle schienen nur darauf zu warten, dass es dir gelingen würde, du konntest nicht gerettet werden, du konntest dich nicht selbst retten, weil keiner daran geglaubt hat, dass es dir gelingen würde“ (S. 151) In Grönland ist die Quote der Suizid-Toten am höchsten, ein Faktum, das die bildet Grundlage für die Erzählung um die namenlose Protagonistin, die sich in ihrem Leben immer wieder mit dem selbst gewählten Lebensende von Freund*innen und Verwandten auseinandersetzen muss. Diese Konfrontation zerrt an ihrer Seele und führt zu einem ungleichen Kampf. Niviaq Korneliussen breitet ein Panorama der mir bislang völlig unbekannten Gesellschaft Grönlands aus, exemplifiziert an ihrer Ich-Erzählerin eine Generation junger Menschen, die sich einer gewissen Perspektivlosigkeit gegenübersieht. Auch die meteorologischen Umstände, die lang anhaltende Dunkelheit, sorgen für Schwermut und anhaltende Depressionen, Gemütszustände, die die Jugendlichen an den Rand des Ertragbaren führen. Die Protagonistin versucht, diesem Schicksal zu entgehen, sich eine Zukunft aufzubauen. Auch die Beziehung zu Maliina lässt sie hoffen, auch wenn es ihr schwerfällt, diesen positiven Emotionen zu vertrauen. Korneliussen lässt ihre Ich-Erzählerin wie ein gespanntes Gummiband auf die Welt los, zunehmend unberechenbar in ihren Reaktionen. Hat man als Leser*in zu Beginn hauptsächlich das Gefühl, über das Leben einer etwas schrägen, unsicheren jungen Frau zu lesen, so nimmt die Fragilität ihrer seelischen Konstitution mit fortschreitender Lektüre immer weiter zu. Korneliussen streut zu Beginn ihrer Kapitel Details über Suizid-Opfer ein und setzt damit einen klaren Ton für ihren Roman, kreiert eine Atmosphäre voller drohendem Unheil am Horizont. Gerade im letzten der drei Teile ziehen sich die erzählerischen Schlingen immer weiter zu und kulminieren in einem auch sprachlich-metaphorischen Gedanken- und Gefühlsstrom. Mit ihrer kreativen Narration, die das Innenleben der Protagonistin pointiert illustriert, macht Niviaq Korneliussen nahezu alles richtig. Ihre Erzählkomposition und -konstruktion ist stringent, nachvollziehbar und gleichzeitig besonders, ihre Figuren sind von mehrdimensionaler Tiefe, und sie schafft es brillant, ein so brisantes Thema wie die Häufigkeit von Selbstmorden in einer Gesellschaft zu einer persönlichen Geschichte voller Emotionen zu formen. Minimer Wehmutstropfen: Eben diese Emotionalität wollte sich bei mir final nicht mit vollster Wucht einstellen, ließ mich ein wenig auf Distanz, ohne dass ich diese konkret kausal benennen könnte. Deswegen: ein großartiger Roman, der uns Grönland und seine Einwohner*innen ein ganzes Stück näherbringt!

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